piwik no script img

Archiv-Artikel

sarah bsc „Hertha. Die hat ja ’ne Macke!“

Als letzte Woche der Frühling 2007 stattfand, verbrachte ich viel Zeit auf einer Parkbank in der Nähe meiner Wohnung. Dort ist es schön, denn viele Menschen kommen vorbei und können dabei von mir beobachtet werden.

Direkt neben der Bank befinden sich zwei Fußballfelder und ein Bolzplatz. Neben mich setzten sich drei kleine Jungs, neun, vielleicht zehn Jahre alt. Sie kamen vom Platz, waren atemlos und suchten in ihren Ranzen nach Trinkflaschen, währen sie sich Gedanken darum machten, wer von ihrer „Gang“ später bei welchem Bundesligaverein spielen würde.

Bayern München war ganz vorn, und das darf man kleinen Jungs auch nicht verübeln, denn die wissen noch nicht viel von deren unsympathischen Machenschaften. Auch Bremen und Schalke, ja sogar Bielefeld wurde von allen Seiten beleuchtet und für sich oder die Kumpels als Zukunft ausgewählt.

Nur Hertha BSC kam für keinen in Betracht, ja wurde nicht mal in Erwägung gezogen. Das kann so nur hier in Berlin passieren, dass Jungkicker sich nicht mal ansatzweise mit dem ansässigen Verein identifizieren. Ich wollte ihnen zurufen: „Hey, ihr habt Hertha vergessen, die sind auch toll!“ Aber mir fiel beim besten Willen keine Begründung ein. Ich kramte in meinem Gedächtnis auf der Suche nach Gründen, die für Hertha sprechen, nach Fußballern, mit denen die Jungs gleichziehen wollen. „Marcelinho!“, wollte ich erleichtert rufen. „Habt ihr gesehen, wie er am Wochenende über den Platz tänzelte und Tore schoss.“

Das alles stimmt, doch mir fiel leider sofort ein, dass er nur ein Ex-Herthaner ist. Also schwieg ich und dachte weiter nach. „Oder Tremmel, was er für Bälle gehalten hat, welch wunderbaren Paraden er zeigte!“ Doch auch Tremmel ist nicht mehr bei Hertha. „Das Kopfballtor von Madlung war auch super.“ Stimmt, aber auch der ist nicht mehr bei uns.

Also blieb nur ein letzter Versuch. „Marko Pantelic, der sieht klasse aus. Warum wollt ihr nicht werden wie er? Auf den stehen die Mädchen.“ Die Jungs sahen mich mitleidig an und standen wortlos auf. Ich kam mir vor, als hätte ich sie mit obszönen Schweinereien vertrieben. Ich konnte noch hören, wie sie kopfschüttelnd und mit aller Verachtung, die Zehnjährige zur Verfügung haben sagten: „Hertha. Die hat ja ’ne Macke!“ Das Schlimme ist, dass man es den Jungs nicht mal verübeln kann, dass sie so denken. SARAH SCHMIDT