s-bahn streicht stellen : Sozialverträglicher Nahverkehr
Ein Beitrag zu der zurzeit gängigen Kapitalismuskritik, deren Bestes noch der Begriff ist? Da gewinnt ein Unternehmen wie die Berliner S-Bahn innerhalb von zehn Jahren ein Drittel an Kundschaft hinzu – und will nun rund ein Viertel seiner Beschäftigten loswerden. Anders ausgedrückt: Weniger Beschäftigte sollen – wie fast überall – mehr arbeiten. Keine Rolle spielt dabei, dass die S-Bahner weniger verdienen als ihre BVG-Kollegen. Allenfalls wird der Arbeitsplatzabbau „sozialverträglich“, das heißt ohne direkten Rausschmiss, organisiert. Aber wie sozialverträglich diese Unternehmenspolitik in einer armen Stadt wie Berlin ist, fragt kaum jemand.
KOMMENTAR VON RICHARD ROTHER
Leider eignet sich die S-Bahn aber nur bedingt dazu, mit dem Finger auf die Bösen des Kapitalismus zu zeigen. Der ist etwas komplexer, als manch Wahlkampf-Auftritt vermuten lässt. Die S-Bahn rationalisiert auch deswegen, weil sie weniger Geld vom Land Berlin bekommt. Davon wiederum profitieren alle Berliner: Weniger Geld für die S-Bahn heißt theoretisch mehr Geld für andere Aufgaben der Stadt, zumindest aber weniger Schulden.
Den Kunden der S-Bahn erschließt sich dies nicht auf dem ersten Blick. Sie sehen: Die Bahnhofsaufsicht wird eingespart, und manch Vorort-Bahnsteig ähnelt einer Gruselplattform. Bei steigenden Fahrpreisen wird somit am Service – hier die gefühlte Sicherheit – gespart.
Dagegen protestieren die Gewerkschaften. Das ist ihr gutes Recht, auch wenn der Erfolg gering sein dürfte. Denn letztlich stellt sich nicht die Frage, wie sozialverträglich die S-Bahn, sondern die Gesellschaft sein will. Und die lässt sich nicht in Berlin, sondern allenfalls bundes- und europaweit beantworten. Eine ernste Kapitalismus-Debatte würde dabei nicht schaden.