russisch brot: Schöne Worte
Russlands Rückkehr in den Weltsport führt über die IOC-Chefin
„Sie ist ein sehr mutiger Mensch, eine schöne und intelligente Frau.“ Mit diesen Worten reagierte der russische Sportminister Michail Degtjarjow auf die feierliche Amtseinführung der neuen IOC-Präsidentin Kirsty Coventry. In seinem Statement zum Wechsel an der Spitze des Internationalen Olympischen Komitees versuchte Degtjarow, die neue Oberolympierin mit allen Mitteln eines russischen Machos zu umschmeicheln.
Schließlich liegt es auch in der Macht von Coventry, der Rückkehr von russischen Athletinnen und Athleten in die internationale Sportwelt den Weg zu bahnen. „Alle Athleten haben das Recht, an den Olympischen Spielen teilzunehmen“, sagte Degtjarjow, der auch Präsident des Russischen Olympischen Komitees ist. „Und wie Frau Coventry selbst einmal sagte: ‚Die Möglichkeit, an Olympischen Spielen teilzunehmen, ist kein Privileg, sondern das Recht eines Athleten.‘ Deshalb wünschen wir ihr viel Erfolg.“
Ob seine Worte wohl gut ankommen bei Coventry, über die in der russischen Sportpresse ansonsten kaum ein gutes Wort zu finden ist, weil sie als Wunschkandidatin von Thomas Bach ins Präsidentinnenamt des IOC gekommen ist? Der Deutsche ist längst vom Liebling Wladimir Putins zu einer Hassfigur geworden. Er wird dafür verantwortlich gemacht, dass seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Jahr 2022 keine russischen Staatsinsignien bei Olympischen Spielen mehr erlaubt sind, dass russische Athleten mit allzu großer Staatsnähe bei internationalen Wettkämpfen der großen Sportverbände nicht antreten dürfen.
Dabei hat Bach alles dafür getan, dass die Russen im internationalen Sport auch dann noch mitmischen durften, nachdem bekannt geworden war, dass sie sich mit totaler Staatsmacht und geheimdienstlicher Unterstützung bei den Olympischen Winterspielen von Sotschi an die Spitze des Medaillenspiegels gedopt hatten. Es wird ihm nicht mehr gedankt. Zudem steht seit einem Monat fest, dass Russland doch nicht die beste Wintersportnation bei dem Spielen von 2014 war. Der Biathlonstaffel der Männer wurde Ende Mai die Goldmedaille aberkannt, nachdem alle Einsprüche gegen die wegen Doping ausgesprochenen Disqualifikationen des Biathleten Jewgeni Ustjugow abgelehnt worden waren. Nun steht Norwegen auf Platz eins des Medaillenspiegels.
Derweil macht man sich im russischen Biathlonteam wenig Hoffnung auf eine Zulassung für den Weltcup oder gar die Olympischen Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo. Die Skijägerinnen und -jäger aus Russland durften nun schon drei Winter lang nicht am Weltcup teilnehmen und wissen nicht so recht, wie gut sie nach der erhofften Wiederzulassung wohl abschneiden würden. Viktoria Sliwko ist eine der wenigen im russischen Team, die noch Weltcup-Erfahrungen sammeln konnten. Allzu gut schnitt die heute 31-Jährige dabei nicht ab. Mehr als zwei Platzierungen in den Punkterängen schaffte sie nicht. Den Jüngeren fehlt jede Weltcuperfahrung – und wohl auch das richtige Material, um im modernen Biathlon-Sport mithalten zu können. Waffen und Skier sind weiterentwickelt worden. Und die Russen verwenden immer noch fluoridhaltiges Wachs für die Skier, das im Weltcup nicht mehr zugelassen ist.
Es hat sich also viel verändert in der Zeit der Abwesenheit. Nun ist auch noch Norbert Starke gestorben, der Kölner Biathlon-Fan mit dem gezwirbelten Barthaar und den unzähligen Ansteckern auf seinem riesigen Hut. Sein Tod wurde auf allen russischen Sportportalen vermeldet. Schließlich war der Biathlongroundhopper, der in allen Weltcup-Arenen der Welt Wettkämpfe verfolgte, ein großer Freund Russlands. Als er während der WM 2011 in Chanty-Mansijsk interviewt wurde, sagte er: „Das sibirische Flair tut der deutschen Seele gut.“ In den russischen Nachrufen auf Starke wird das genüsslich zitiert. Andreas Rüttenauer
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