rund um die welt in berlin: Der rumänische Alkoholkünstler Dan Mihaltianu brennt in einer ehemaligen Stasi-Kaserne iranischen Schnaps
Schluck um Schluck
„Manuela, 26, dunkle Haare, sportliche Figur, ist eine junge, erfrischende Frau mit temperamentvollem Wesen und einer fröhlichen Art. Sie ist hübsch und unkompliziert, sucht einen natürlichen Mann mit einem sympathischen Wesen.“
Manuela liegt neben „Karin, 43/1,60, verw., Kita-Leiterin“ und „Veronika, 35/160, Arzthelferin“, in einer schmalen, hellbraunen Holzschachtel in einer ehemaligen Stasi-Kaserne in Berlin-Adlershof: kleine, schlanke Schnapsflaschen mit Kontaktanzeigen-Etikett. Den hochprozentigen Inhalt hat Dan Mihaltianu selbst gebrannt. Mihaltianu kommt aus Bukarest, ist 47 Jahre alt und könnte als Alkoholkünstler bezeichnet werden. Seit zehn Jahren destilliert er alles, was ihm in die Hände fällt. Im Destillat versucht der Künstler den Geschmack des „einstmals gewesenen, jetzigen, jedenfalls möglich gewesenen Mitteleuropa“ einzufangen und zu konservieren. Ob New York, Berlin oder Bukarest: überall sammelt Mihaltianu alte Flaschen, pflückt Beeren, Blätter und Blüten und destilliert.
In seinem Atelier in der Kaserne in Adlershof findet sich unter anderem auch ein Parfümflakon „Blauer Engel“, dessen Inhalt aus den Holunderbeeren destilliert wurde, die auf Marlene Dietrichs Grab wuchsen. „Das riecht gut“, sagt Mihaltianu und schraubt den Deckel auf. „Da ist Marlene auch mit drin.“ Er stellt das Parfümfläschchen zurück ins Regal.
Heute geht es um etwas anderes: um den Iran. Dort geschieht Erstaunliches. Die Teheraner Firma „Pars Hajir Industries“ stellt heimlich einen köstlichen Dattelsirup her und empfiehlt den europäischen Abnehmern, was im Iran jeder weiß: „Distillation of this product yields high quality alcohol with a mild and pleasant taste.“
In Berlin soll der Geheimtipp aus Teheran jetzt in die Tat umgesetzt werden. Dan Mihaltianus kleine Reisedestillationsanlage steht bereit. Vier Flaschen mit dem süßen, zähflüssigen Inhalt hatte die subversive Sirupfirma aus dem Iran per Kurierdienst nach Deutschland verschickt. Im Atelier wurde der Dattelsaft mit handelsüblicher Hefe und Berliner Leitungswasser versetzt und in einem Ikea-Eimer bei sommerlichen Temperaturen zur Gärung gebracht.
Der Sirup köchelt bereits in dem kleinen Kupferkessel vor sich hin, den Mihaltianu bei all seinen Reisen mitnimmt. Ganz langsam rinnt aus dem Kupferrohr, das sich spiralförmig durch einen Behälter mit kaltem Wasser schlängelt, eine durchsichtige Flüssigkeit. Bald ist es ein guter Liter klarer Schnaps. Das Alkoholmeter, ein mit Bleikugeln gefülltes Glasrohr, sinkt tief in die Flüssigkeit: Bei 48 Prozent bleibt das Messgerät stehen. Nicht schlecht. Also trinken. Erst brennt es ein wenig, dann entfaltet sich ein leicht süßlicher Geschmack. Und dann? Noch einen Schluck. Hmmm. Lecker. „Ich schicke denen eine Flasche zurück“, schlägt Mihaltianu vor. Die deutsch-iranische Alkoholzusammenarbeit wird Schluck für Schluck geplant. Teheraner Dattelschnapsverkostung in Berliner Stasi-Kaserne. Wenn das Chomeini wüsste.
MATTHIAS THIEME
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