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Archiv-Artikel

richard rother über den klimawandel im kleinen Der Fredersdorfer Wasserkrieg

Nahe der Vogelsdorfer Fischtreppe befindet sich am Fredersdorfer Mühlenfließ eine ominöse Stahlplatte. Sie regelt den Abfluss in einen Seitenarm des Bachs. Als ich neulich in dem Naturschutzgebiet spazieren ging, in dem Datschenbesitzer gerne ihre Hunde zum Kacken ausführen, war jene Platte mit einem Vorhängeschloss gesichert. „Was machen Sie hier?“, herrschte mich eine Dame an, die plötzlich um die Ecke des Waldwegs bog und sich als Gemeindeangestellte auswies. „Hier wird nichts mehr manipuliert!“

Ganz klar: Ich hatte mich auf vermintes Gelände verirrt. Wasser ist nämlich nicht nur in Wüstenstaaten ein Kriegsgrund. Der Klimawandel hat den Kampf ums Nass auch nach Brandenburg getragen. Seit dem trockenen Sommer des vergangenen Jahres ist 25 Kilometer östlich des Berliner Zentrums der Fredersdorfer Wasserkrieg ausgebrochen. Er wird erbittert geführt.

Alles begann am Krummen See, der von dem Stahlplattenseitenarm des Fließes gespeist wird. Im vergangenen Sommer trocknete der mehrere Meter tiefe See fast vollständig aus: Zurück blieben tote Fische und Frösche, enttäuschte Kinder und erboste Anwohner, die die Welt nicht mehr verstanden. Ein Wassergrundstück mit Steg und Kahn ist eben mehr wert als eines, das an einem faulig riechenden Loch liegt – in dem verrostete Diamantfahrräder und anderer Schrott zum Vorschein kommen.

Die heiße Sonne ließ das Seewasser verdunsten, irgendwann half auch alles Manipulieren an besagter Stahlplatte nichts mehr. Denn auch der Hauptfluss, das Fredersdorfer Mühlenfließ, war ausgetrocknet, weil der Pegel des großen Bötzsees, aus dem er sein Wasser bezieht, deutlich gesunken war. Lag das wirklich an der Sommerhitze, fragten sich besorgte Bürger in der Lokalpresse. Oder hatten nicht noch andere Mächte ihre Finger im Spiel? Pumpt nicht ein Wasserwerk tausende Kubikmeter aus der Umgebung des Sees ab? Hat nicht ein Fischer den Zufluss zum Bötzsee gesperrt, um das Wasser im Fängersee zurückzuhalten, der oberhalb des Bötzsees liegt und von ihm bewirtschaftet wird? Anders gesagt: Mussten die Fredersdorfer Frösche sterben, damit die Fängerseefische leben konnten?

Um die Wasserwahrheit zu finden, organisierten Naturschützer in diesem Frühjahr eine Bürgerversammlung mit Experten. „Wie kann es sein, dass schon nach wenigen Wochen Regen im Winter unser See wieder voll war?“, echauffierte sich ein Anwohner des Krummen Sees. „Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu.“ Die Leute nicken. Nun, das könne schon möglich sein und lokale Ursachen haben, antwortete ein Wasserexperte, der zuvor ausführlich erklärt hatte, dass Brandenburg eine wasserarme, aber gewässerreiche Region sei. „Der Klimawandel wird das Wasser weiter verknappen.“ Man müsse das Wasser in der Landschaft zurückhalten. Viele Fredersdorfer klatschten.

Ein Mann aus Schöneiche, das einige Kilometer fließabwärts liegt, sprang auf. Es könne nicht sein, rief er erregt, dass die Fredersdorfer schöne feuchte Wiesen und einen vollen Krummen See kriegten – „und bei uns in Schöneiche kommt nüscht mehr an“. Bevor die Stimmung kippte, konnte der Fredersdorfer Bürgermeister die Wogen glätten. Alle Gemeinden müssten an einen Tisch, schlug er vor. Nach den ergiebigen Winterregen sorgt eine kräftige Strömung im Fließ im Moment für Entspannung. Doch der Friede ist trügerisch: Schließlich ist der April rekordverdächtig trocken.

Das Wochenendwetter: heiter bis wolkig, leider kein Regen, Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad Der Tipp: perfekt für eine Radtour Wo laufen Sie heiß? erhoehtetemperatur@taz.de