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Archiv-Artikel

rassisten und rebellen von RALF SOTSCHECK

„Ich sehe nicht ein, dass den Indianern in Amerika oder den Schwarzen in Australien ein großes Unrecht angetan worden ist, denn es ist eine stärkere Rasse, eine höherwertige Rasse, eine welterfahrenere Rasse gekommen und hat ihren Platz eingenommen.“ Diese denkwürdigen Worte aus dem Jahr 1937 stammen von der bedeutendsten britischen Persönlichkeit aller Zeiten: Winston Churchill. Bei einer telefonischen Abstimmung der BBC, an der Ende vorigen Jahres mehr als eine Million Briten teilnahmen, verwies er den Ingenieur Brunel, Lady Diana, Shakespeare, die Queen, John Lennon und den Massenmörder Oliver Cromwell auf die Plätze. Mit den Einnahmen der gebührenpflichtigen Stimmabgabe will die BBC ein Denkmal für Churchill errichten lassen.

Ganz im imperialistischen Sinne Churchills arisierten die britischen Wähler ein paar Iren: Bono, Sänger der Dubliner Quietschkapelle U 2, und Bob Geldof, zum Gutmenschen geläuterter ehemaliger irischer Punk, gehören nach Meinung der BBC-Zuschauer zu den hundert bedeutendsten Briten. Das geschieht denen recht.

Die Iren hielten ihren eigenen Wettbewerb ab. Bono kam auf den achten Platz. Ja, was denn nun? Bedeutendste irische Person aller Zeiten wurde Nano Nagle. Nano Nagle? Sie hat im 18. Jahrhundert einen katholischen Orden im südirischen Cork gegründet und sich für die Armen, Kranken und Unterdrückten eingesetzt. Die Schriftsteller Joyce und Wilde, der Brauereigründer Arthur Guinness und der Fußballer Roy Keane schafften es ebenfalls unter die Top 100 – sowie 13 Frauen, allen voran Expräsidentin Mary Robinson, die als höchstplatzierte lebende Person auf den vierten Rang kam.

Solche Umfragen sind selbstverständlich Humbug. Es gewinnt, wer die stärkste Lobby, die meisten Telefone und die flinkesten Finger hat. Das weiß man, seitdem beim Eurovisions-Schlagerwettbewerb das populistische Votum eingeführt wurde: Fortan erhält die Türkei von Deutschland zwölf Punkte.

Die BBC hat daraus nichts gelernt. Zu Weihnachten startete sie eine weltweite Internet-Umfrage, um das Lieblingslied des Planeten zu ermitteln. Eine Gruppe junger Dubliner in einem kleinen Computerlabor beschloss, sich für Churchill und Cromwell zu rächen und verbreitete die Aufforderung, für „A Nation Once Again“ zu stimmen. Das ist ein antienglisches Freiheitslied der irischen Gruppe Wolfe Tones, die bei ihren Auftritten gern den IRA- Schlachtruf „Uh, ah, hoch die RA“ brüllen. Das Lied gewann – knapp vor einem patriotischen Song aus Pakistan. Auf den Plätzen folgten „Poovum Nadakkathu Pinchum Nadakkathu“ des tamilischen Sängers Thirumalai Chandran und „Ana wa Laila“, der Song einer irakischen Band. Der beste britische Beitrag landete auf dem 10. Platz: die „Bohemian Rhapsody“ von Queen. Ein BBC-Sprecher erklärte konsterniert, alles sei mit rechten Dingen zugegangen.

Das haben die Briten nun davon: einen Rassisten als bedeutendsten Landsmann und einen irischen Rebel Song als bestes Lied aller Zeiten. God save the Queen.