■ Die Anderen: "Maariv" (Israel) kommentiert die vertagte Abstimmung über die Parlamentsauflösung / Zu den Aktionen des russischen Präsidenten Jelzin schreibt "Corriere della Sera" / "Le Monde" über die Charta der Menschenrechte
Die israelische Zeitung „Maariv“ kommentiert die vertagte Abstimmung über die Parlamentsauflösung: Ministerpräsident Bibi Netanjahu glich gestern einem Zauberer, dem es lange Zeit gelang, ein Dutzend Bälle in der Luft herumzuwirbeln, während er auf der Nase einen weiteren Ball balanciert, auf der Stirn eine Flasche und mit einem Fuß einen Ring kreisen läßt – und dann plötzlich bricht alles zusammen, entgleitet ihm, fällt, kugelt weg und verstreut sich in alle Richtungen. Leider ist unser Staat kein Zirkus, und er braucht keinen Zauberer, sondern einen Staatsmann. Israel darf nicht von den wankelmütigen Launen von Politikern abhängen, die jeden Kontakt mit der Realität verloren haben, die Interessen der Wähler vergessen haben und nur an sich selbst denken. Das Volk schaut bei dieser verrückten Vorstellung zu und traut seinen Augen nicht. So kann Benjamin Netanjahu nicht weitermachen.
Zu den Aktionen des russischen Präsidenten Jelzin schreibt der Mailänder „Corriere della Sera“: Er ist für weniger als drei Stunden in den Kreml zurückgekehrt: Genug Zeit, um der Verwaltung im Präsidentenamt einen gehörigen Stoß zu versetzen und all denen, die ihn bereits in Pension geschickt haben, zu zeigen, wer in Rußland das Kommando führt. Um Punkt neun Uhr hat Zar Boris die Sitzung im Kreml eröffnet, um vier Entlassungen bekanntzugeben. Aber vor allem um seine Absicht deutlich zu machen, den Kampf gegen Extremismus und politische Kriminalität unter seine eigene Kontrolle zu nehmen. Im wesentlichen will der Präsident den Kreml wieder als Zentrum der Macht in Rußland beleben, angesichts der Entwicklung seit August, als die Regierung mit Ministerpräsident Primakow zum einzigen politischen Bezugspunkt im Land geworden ist.
„Le Monde“ beschäftigt sich mit dem 50jährigen Bestehen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: Der Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa hat der ideologischen Anfechtung der Menschenrechtsprinzipien einen fatalen Stoß versetzt. Wenn es noch starke Widerstände dagegen gibt, insbesondere im Namen einer bestimmten Auslegung des Islam, so haben die Maghreb-Staaten dennoch ihre Haltung geändert. Selbst China beginnt damit. Den Diskurs zu ändern, um nicht auf die Anklagebank der internationalen Gemeinschaft gesetzt zu werden, bedeutet aber bekanntlich noch nicht, daß sich auch die Praxis ändert. Jeder Vorwand ist gut, um die Grundsätze zu verletzen, gegen die man nicht offen zu verstoßen wagt.
Fünfzig Jahre nach der Verkündung der Menschenrechte besteht das Problem also darin, für ihre tatsächliche Einhaltung zu sorgen und sie durch internationale Instrumente zu sichern.
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