: "Liebe taz..."Preis für mutige Schüler -betr.: "Hochachtung. Solidarität mit Ibrahim Yaya" und "Schule macht gegen Abschiebung mobil", taz-Bremen vom 13.11.1997
Betrifft: „Hochachtung. Solidarität mit Ibrahim Yaya“und „Schule macht gegen Abschiebung mobil“taz 13.11.97
„Hochachtung. So soll Schule sein“, schreibt die taz zu den vielfältigen Aktivitäten der Schüler am Schulzentrum Kornstraße gegen die Abschiebung ihres minderjährigen Mitschülers Ibrahim aus Togo. Sie sprechen einen wichtigen bildungspolitischen Nebenaspekt dieses Engagements an, den ich hier aussprechen möchte: In den Schulen, in der Schulbehörde, in der KMK, in den Auseinandersetzungen zwischen Bildungssystem einerseits und gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Öffentlichkeit findet derzeit die Debatte um die Qualitätsmerkmale von Schule statt. Mit Recht werden dabei Kulturtechniken, Mathe-, Lese-, Rechtsschreibekenntnisse thematisiert. Wo aber werden in der öffentlichen Debatte die mindestens ebenso wichtigen Qualitätsmerkmale diskutiert, die diese Schule, diese Schüler und diese Lehrer produzieren?
Sie werden thematisiert im Bremer Schulgesetz. Dort heißt es in §4,3: „Die Schule ist so zu gestalten, daß eine möglichst wirksame Förderung die Schülerinnen und Schüler zu überlegtem demokratischen und nachvollziehbaren Handeln...“. Bei den Bildungszielen in §5 wird an 1. und 7. Stelle genannt: „Die Schule soll insbesondere erziehen: 1) zur Bereitschaft, politische und soziale Verantwortung zu übernehmen; ...7) zum Verständnis für die Eigenart und das Existenzrecht anderer Völker sowie ethnischer Minderheiten und Zuwanderer in unserer Gesellschaft...“
In hervorragender Weise haben diese Schüler Verantwortung übernommen, Verständnis entwickelt, einen politischen Diskurs auf hohem Niveau entfacht. Hoch anzurechnen ist insbesondere Bürgermeister Scherf, daß er diesen Diskurs aufgenommen hat. Das ist in dieser Form bundesweit sicherlich in seiner Position ungewöhnlich. Die Schüler haben viele Politiker angeschrieben und ihre Argumente überprüft unter Hinzuziehung von Experten. Sie haben Umgang mit minderjährigen Opfern der weltweiten Ungerechtigkeit. Ich stelle fest: Hier wurde das Bremer Schulgesetz hervorragend umgesetzt. Hier wurde das herausragende Qualitätsmerkmal von Schule erreicht: Verantwortliches demokratisches Handeln an und von Schule.
Wie kann Politik diese Qualität anerkennen, den Schülern und Lehrern zeigen, welche tolle Arbeit sie geleistet haben, um sie zu weiterer Verantwortung zu motivieren? Ich bin sicher, sie wünschen sich vor allem einen Preis.
Es wäre eine konkreter Beitrag zur Debatte um die Qualität des Bremer Schulsystems, – und es hat im Bereich der Erziehung zum demokratischen Handeln eine hohe Qualität – wenn die verantwortliche Senatorin sich erfreuen könnte, Herrn Bortscheller und ihre SenatskollegInnen zu überzeugen, daß diese Schule es verdient hat, daß auch der Innensenator sich endlich dem Diskurs stellt, daß die Schüler die Anerkennung ihrer Leistung verdient haben: Ibrahim soll bleiben.Hans-Wolfram Stein,
Lehrer am Schulzentrum
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