: "Liebe taz..." Weibliche Bevölkerung benachteiligt - betr.: Streit zwischen CDU-Fraktionschef Neumeyer und Ulrike Hauffe über die Funktion von Frauenbeauftragten
Streit zwischen CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer und Ulrike Hauffe über die Funktion von Frauenbeauftragten
In der taz Bremen vom 25.9.96 mußte ich lesen, daß der Fraktionsvorsitzende der CDU, Roland-Mike Neumeyer, der Landesbeauftragten, Frau Ulrike Hauffe, vorwirft, daß sie sich gegen die inzwischen verabschiedeten Bonner Sparbeschlüsse ausspricht, insoweit diese eindeutige Nachteile für die weibliche Bevölkerung bedeuten. Der Fraktionsvorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion bewertet diese von mir ausdrücklich begrüßte Stellungnahme der Landesfrauenbeauftragten als eine unzulässige parteipolitische Stellungnahme. Er spricht der Landesfrauenbeauftragten ihr Recht ab, gegen Vorhaben und Maßnahmen öffentlich Stellung zu beziehen, die die Situation der weiblichen Bevölkerung verschlechtern.
Laut § 2 Abs. 1 Ziffer 4. des Bremischen Errichtungsgesetzes für die Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZFG) , deren Leiterin die Landesfrauenbeauftragte ist, ist Frau Hauffe verpflichtet, „Öffentlichkeitsarbeit entsprechend den Aufgaben des Gesetzes“ zu betreiben. Sie muß laut Gesetz über die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Gebotes der Gleichberechtigung wachen, indem sie u.a. Gesetzentwürfe des Senats und des Bundes zu prüfen hat, soweit diese Auswirkungen auf die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau haben.
Nichts anderes hat Frau Hauffe getan und kann sich hinsichtlich ihrer veröffentlichten Kritik an den Bonner Sparbeschlüssen einig wissen mit der ganz überwiegenden Mehrzahl der Frauen und Frauenverbände im Bundesgebiet - jenseits jeder parteipolitischen Orientierung. Zum Beispiel hat die Bundesdelegiertenversammlung des Katholischen Deutschen Frauenbundes ebenso wie Frau Hauffe die vorgezogene Anhebung des
Renteneintrittsalters ebenso heftig angegriffen wie die Kindergeldverschiebung. Zum Beispiel hat die Hauptversammlung der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands wie Frau Hauffe das Bonner Sparpaket als „sozial unausgewogen“ kritisiert. Gegen die Verschiebung der Kindergeld- und Kinderfreibetragserhöhung hat sich neben Frau Hauffe auch der sächsische Sozial- und Familienminister Hans Geisler (CDU) öffentlich ausgesprochen. Daß sich auch die Bonner Oppositionsparteien diesen bundesweiten und wieder einmal in Bonn überhörten Frauenprotest zu eigen gemacht haben, kann kein Grund sein, Frau Hauffe an der Ausübung ihrer gesetzlichen Pflichten zu hindern.
Welche parteipolitische Parteinahme also wirft Herr Neumeyer Frau Hauffe vor, die meines Wissens ebenso wie ich selbst parteipolitisch ungebunden ist? Stellen seine in der Sache unbegründeten Vorwürfe nun einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Landesfrauenbeauftragten dar? Oder benutzt die CDU-Fraktion die Landesfrauenbeauftragte, um über Angriffe auf sie eigene Parteimitglieder, insbesondere Frauen und insbesondere solche aus den neuen Bundesländern ,zu disziplinieren?
Ich würde mich freuen, wenn die CDU-Fraktion diese Fragen nicht nur mit der Landesfrauenbeauftragten, sondern auch mit Vertreterinnen der Frauenverbände, die sich gegen die Sparbeschlüsse ausgesprochen haben, in einer öffentlichen Veranstaltung klären würde. Denn über die Bonner Sparbeschlüsse hinaus werden Antworten auf diese Fragen für die Zukunft einer parteipolitischen unabhängigen und unbeeinflußten Frauenpolitik durch die ZGF in Bremen von entscheidender Bedeutung sein.
Sabine Klein-Schonnefeld
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