: "Liebe taz..." Lobby für Soziales? - betr.: Haushaltslöcher bei Bildungs- und Innenressort
Betr.: Haushaltslöcher bei Bildungs- und Innenressort
Die Katastrophenmeldungen wiederholen sich. Erst gewöhnt man sich an den Gedanken, daß das Bildungsressort mit seinem vom Senat beschlossenen Finanzrahmen nicht auskommen wird. Fast Gleichlautendes (nur mit noch höheren Summen) hört man jetzt aus dem Innenressort. Auch hier wird die Folge sein, daß das Defizit irgendwie auf andere Töpfe verteilt wird. Denn irgendwie muß bezahlt werden, da das Bildungsressort nicht Vulkan heißt und keinen Vergleich oder Bankrott erklären kann. Auch hat die Bildung in Eltern und Lehrern eine starke Lobby, die sich zu wehren weiß – und Inneres sowieso.
Aus dem Bereich Soziales und Jugend – der die Defizite mitbezahlt – gibt es keine solchen Nachrichten, obwohl die Sparzwänge auch hier längst an die Substanz gehen. Der Unterschied ist: Im Bereich von Jugend und Soziales wehren sich einzelne Einrichtungen, wenn ihnen die Finanzgrundlage massiv eingeschränkt wird; Projekte und Dienste protestieren – manchmal sogar mit öffentlicher Resonanz, wenn unabdingbar notwendige Stellen wegfallen sollen. Aber die Aufgaben der Sozialen Dienste, der Jugendhilfe, der Jugendarbeit im Ganzen haben in Bremen keine Lobby. Dies bedeutet praktisch, daß jede erfolgreiche Verteidigung eines Etats an der einen Stelle automatisch dazu führt, daß an einer anderen Stelle der Mangel noch größer wird. Es gibt hier keine Bestandssicherung an der einen Stelle, die nicht automatisch die Bestandsgefährdung an anderen Stellen vergrößert.
Im Bildungsbereich gäbe es einen riesigen Aufschrei, wenn z.B. das nicht finanzierbare Defizit dadurch gedeckt wird, daß die Klassenstärken entsprechend heraufgesetzt werden. Im Bereich Jugend und Soziales wird im Prinzip ständig so verfahren. Alle scheinen das für normal zu halten. Es scheint hier keine Standards zu geben, die nicht immer noch einmal unterboten werden können. Jedenfalls keine Unterbietung von Standards, die zu einem öffentlichen Aufschrei führt. Es ist abzusehen, daß in den kommenden Jahren wesentliche Elemente der jugendbezogenen und sozialen lnfrastruktur Bremens wegbrechen werden. Gewachsene Netzwerke der Integration Benachteiligter werden austrocknen; Jugendeinrichtungen werden schließen, ambulante Dienste für Jugendliche, insbesondere für Mädchen, für alte Menschen, psychosoziale Angebote ebenso. Dies wird das Klima in dieser Stadt verändern. Und teuer wird es – an anderer Stelle – auch werden. Aber dann wird es für Korrekturen zu spät sein.
Sabine Hebenstreit-Müller Amtsleitung Soziale Dienste Ost
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