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"Liebe taz..." Geld holen, wo es sich türmt - betr.: "Borttscheller: Ausländer in die Polizei", taz vom 7.8.1997

Betrifft: „Borttscheller: Ausländer in die Polizei“, taz vom 7.8.97

„Wer Wind sät, wird Sturm ernten“, sagt ein Sprichwort. Was sich im Bremer Stadtteil Kattenturm abgespielt hat, ist die typische Folge einer verfehlten Bau-, Wohnungs- und Sozialpolitik. Es ist ein Fehler, Hochhäuser zu bauen, wo Menschen in einer anonymen Umgebung leben. Es führt zur Ghettoisierung, wenn sich keine Bevölkerungsmischung in einem Stadtteil gebildet hat.

Zu einer guten Infrastruktur gehören genügend Kultur- und Freizeitangebote. Die „Schlafstädte“, ob sie im ehemaligen Ostblock oder hier im Westen entstanden sind, wurden wohl nicht zum Leben gebaut wie der Name schon sagt. Überall in der Welt brauchen junge Frauen und Männer eine Zukunftsperspektive. Daß die jugendlichen Männer ihre Aggressionen gegen andere richten, lernen sie von den ungerechten Strukturen, die sie umgeben. Es wird ihnen vom Patriarchat suggeriert, sich zwanghaft so und nicht anders zu verhalten. „Mann“darf nicht weinen, muß seine auch weiblichen Gefühlsanteile unterdrücken. Mädchen lernen, ihre Aggressionen gegen sich selbst zu wenden und bekonmen Depressionen.

Was alle benötigen, ist eine Chance auf einen guten Schulabschluß, Ausbildung und Beruf, sowie ein gutes Einkommen und eine Umgebung, in der sie sich zu Hause fühlen. Dazu gehört das Leben in einer Umwelt, deren ökologische Grundlagen nicht weiterhin der Vernichtung preisgegeben sind. Jetz helfen keine AusländerInnen in der Polizei, keine „Hilfe zur Arbeit“(BSHG) – was nichts anderes als ausbeuterische Erpressung ist – und erst recht nicht drastische Strafen und Abschiebungen! Sie benötigen Menschen, die ihnen helfen, den Glauben an eine Zukunft zu gewinnen, in der alle Menschen sich verwirklichen können. Das kostet Geld im sozialen Bereich.

Der Staat sollte das Geld da holen, wo es sich in Bergen türmt. Im Grundgesetz Artikel 2 heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“Es gehört zu einem Leben in Würde, daß Menschen ihre Grundbedürfnisse befriedigen können.

Bettina Fenzel

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