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"Liebe taz..." Beschämend - betr.: Gegendarstellung zu "Er ist natürlich unschuldig, aber...", taz vom 15.4.1997

Betrifft: dito

Voller Empörung habe ich soeben den taz-Artikel zur Kenntnis genommen, der von einer Fortsetzung der massiven Vorverurteilung des rumänischen Geigenstudenten Vasile D. innerhalb der Hochschule für Künste berichtet. Ich kann nicht umhin, als Mitmensch, Künstler und HfK-Absolvent dazu Stellung zu nehmen und nehme dafür gern in Kauf, mich mit folgenden Äußerungen bei einigen massiv unbeliebt zu machen.

Für einen Gastbeitrag im „Bremer“habe ich gleichfalls zu diesem Thema recherchiert. Im Fachbereich Musik war niemand zu einer offiziellen Stellungnahme bereit. Der Kanzler der HfK, Klaus Güse, gestattete mir dann, ihn wie folgt zu zitieren: „Meines Erachtens gab es für die Hochschule keine Veranlassung, zu dem Fall Stellung zu nehmen. Selbstverständlich kann Herr D. jedoch sein Studium fortsetzen, wenn er sich ordnungsgemäß zurückmeldet.“Es ist bemerkenswert, daß der Fachbereichssprecher jetzt seinem Vorgesetzten widerspricht und Vasile D. loswerden will. Bemerkenswert ist auch, wie ProfessorInnen nun besser als der Student wissen, was gut für ihn ist: „Auch für ihn wäre es besser, wenn er gehen würde.“Oder ein Urlaubssemester nehmen.

Vasile D. hatte meines Wissens im vergangenen Semester ein Urlaubssemester, um sein Praktikum in der Radiophilharmonie Hannover des NDR zu absolvieren. Das wurde nach der Vorverurteilung durch die Medien vom Orchester umgehend abgesagt; D.'s Ruf wurde dadurch nachhaltig geschädigt. Zu allem Überfluß ist ihm ein finanzieller Schaden in fünfstelliger Höhe erwachsen. Es wäre also interessant, ob Vasile D. erwägt, nach erwiesener Unschuld alle Vorverurteiler inklusive der Hochschule auf Entschädigung zu verklagen?

Einige der in den Medien wiedergegebenen Kommentare mögen vielleicht unbedacht gewesen oder aus dem Zusammenhang zitiert worden sein. Dennoch: Die Form, in der sich Angehörige der HfK zum Fall D. in der Öffentlichkeit äußern, zeigt Hilflosigkeit, Unfähigkeit, Unwillen, gepaart mit einer beschämenden latenten Fremdenfeindlichkeit. Gunnar Cohrs

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