: "Liebe taz..." Alles falsch beim Artikel zur Aids-Hilfe - betr.: "AIDS-Hilfe hilft dem Chef" und "Normalskandal", taz vom 26.4.1997
Betrifft: „AIDS-Hilfe hilft dem Chef“und Kommentar „Normalskandal“v. 26.4.
Mehrere und zwar die entscheidenen Informationen entsprechen nicht der Wahrheit.
1.: Der Geschäftsführer wird nicht nach BAT bezahlt. Vielmehr handelt es sich um einen Geschäftsführer-Vertrag, der in GmbHs üblich ist, und von der Vergütung der Bezahlung nach BAT IIa entspricht.
Dies ist angesichts der inhaltlichen und formalen Anforderungen auch vollkommen gerechtfertigt. Er erhält keine über sein Gehalt hinausgehende Zuwendungen!
2.: Die genannte Abfindungssumme bei einer Kündigung/Konkurs ist völlig aus der Luft gegriffen. Vielmehr entspricht sie den tatsächlichen gesetzlichen Bestimmungen, und zwar ein Monatslohn pro Arbeitsjahr (seit 1992).
Einige Gedanken möchten wir anhand der beiden taz-Beiträge aussprechen: zum einen: Danke, Jochen Grabler! Jetzt ist uns nach längerer Zeit noch mal klar geworden, warum wir nach vielen Jahren unsere taz-Abos gekündigt haben: Weil wir keine Lust mehr hatten auf schlecht recherchierte, unseriöse Beiträge, die auf personalisierten Pseudo-Enthüllungsjournalismus ( „Details sind aufgetaucht...“) eher aus sind, als auf inhaltlich ausgewogene, dringend zu führende Strukturdebatten über Professionalisierung, ehrenamtliche Arbeit, Selbsthilfe und Staatsknete.
Zweitens: Uns scheint, der Autor fühlt sich schlecht informierten InformantInnen stärker verpflichtet, als den Angaben desjenigen, der hier massiv mit falschen Behauptungen diskreditiert wird. Hat er sich einerseits vor den Karren spannen lassen und vertritt letztlich die Interessen einer Teilgruppe in diesem Streit, ohne das Ganze zu kennen, oder ist er für externe Politisch-private Interessen funktionalisiert worden?
Drittens: Wir bezweifeln, ob sich der Autor klar geworden ist über den Schaden, den er mit seinem schlampig recherchierten Bericht angerichtet hat. Gerade im hochsensiblen Bereich unter anderem spendenfinanzierter Sozial- und Gesundheitsarbeit (wie z.B. über die AIDS-Hilfe Bremen) können vermeidliche Unwarheiten bei potentiellen und tatsächlichen Spendern bedeuten, daß sie nicht mehr bereit sind, weiterhin zu spenden.
Ein späteres kleine Dementi, eine Richtigstellung auf Seite x kann keine durch jahrelange überzeugende Arbeit aufgebaute Glaubwürdigkeit mehr zurückgewinnen - dieses Vertrauensverhältnis ist nachhaltig und langfristig gestört worden. Damit ist überhaupt nicht gemeint, daß man nicht über die Verwendung von Spendengeldern schreiben soll - im Gegenteil: Aber bitte mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und einer gewissen Recherche.
Schließlich ein Wort zum angedachten Professionalisierungsprozeß in allen Projekten (auch der taz): Kollektive Lebens- und Arbeitsformen (mit einem hohen Grad an Selbsthilfe) waren nur solange gesellschaftlich leb- und organisierbar, wie sie auf homogene Verhältnisse und identische Zielabsichten Bezug nehmen konnten. Der gesellschaftliche Prozeß der Pluralisierung der Lebenslagen und Individualisierung von Lebensführung erfordert differenzierte Antworten - auch in der Drogen- und AIDS-Hilfe.
Selbsthilfe kann nur einen Teil der Antworten geben. Selbsthilfe kann aber nur so lange initiiert, unterstützt und begleitet werden, wie es sie tatsächlich auch gibt. Alles andere ist Etikettenschwindel. Gerade die Krankheit AIDS braucht aber auch Spezialkräfte, Professionelle für kontinuierliche, fachgerechte Pflege- und Betreuungsarbeit.
Zum Schluß: Ob die „AIDS-Hilfe ihrem Chef hilft“, wage ich zu bezweifeln, ob Jochen Gabler einem Teil der Mitarbeiter der AIDS-Hilfe hilft, ist ebenfalls zu bezweifeln. Der Schaden für den Ruf der AIDS-Hilfe und den Ruf des Geschäftsführers ist immens! Hat der Autor einen ernstzunehmenden, fruchtbaren Beitrag für die Diskussion um Rechtsformen von Vereinen, Innervereins-Demokratie, Professionalität und Selbsthilfe geleistet?
Dr. Heino Stöver, Klaus Kenklies, Raymund Suchland
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