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"Liebe taz ..." - Falscher Eindruck, betr.: "Rassismus? Wo ist die Akte?", taz vom 5./6.1997

Betrifft: „Rassismus? Wo ist die Akte?“, taz v. 5./6.7.1997

Üblicherweise nehme ich zu Vorwürfen in der Presse nicht Stellung. Im Falle des Artikels mache ich eine Ausnahme, weil der Eindruck erweckt wird, als ob bei der Staatsanwaltschaft alles drunter und drüber geht. Das Gegenteil ist der Fall:

Rechtsanwalt Werner hatte im Herbst 1996 Strafanzeige wegen Körperverletzung seines Mandanten Aliu B. gegen namentlich benannte Polizeibeamte erstattet. Diese Anzeige habe ich dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Staatsanwalt zugeschrieben. Das Verfahren ist ordnungsgemäß nur unter den Namen der beschuldigten Polizeibeamten erfaßt worden; der Name des Geschädigten konnte vor 1997 nur dann erfaßt werden, wenn kein namentlich bekannter Beschuldigter vorhanden war. Im Frühjahr 1997 bin ich von einem Holländer und einem Amerikaner angeschrieben worden, die mich auf angebliche Mißhandlungen eines 16jährigen Aliu B. durch Polizeibeamte aufmerksam gemacht haben; die Namen der Polizeibeamten waren den Briefschreibern offenbar nicht bekannt. Ich habe zwangsläufig nur unter dem Namen Aliu B. in der EDV recherchiert. Aliu B. war lediglich als Beschuldigter registriert; deshalb habe ich die Verfahren beigezogen und bei Durchsicht der Akten festgestellt, daß in den gegen Aliu B. geführten und angeklagten Verfahren keine Übergriffe von Polizeibeamten behauptet worden sind. Somit habe ich aufgrund der beiden Briefe ein neues Verfahren gegen die mir auch nicht bekannten Polizeibeamten zum Nachteil Aliu B. eingeleitet und den beiden Briefeschreibern dies mitgeteilt.

In meiner Antwort habe ich in der Tat mein Erstaunen darüber zum Ausdruck gebracht, daß Aliu B. in den gegen ihn gerichteten Verfahren von solchen Mißhandlungen nichts berichtet habe. Daß Rechtsanwalt Werner Strafanzeige erstattet habe, war nicht ersichtlich. Solche Doppeleintragungen von Verfahren waren bei unserer alten EDV unvermeidbar. Dramatisch war das indes nie, weil die Staatsanwälte schon bei den ersten Ermittlungen bemerkten, daß identische Verfahren vorhanden waren; die Verfahren sind dann unverzüglich zusammen geführt worden. Ab 1997 haben wir ein neues EDV-Verfahren eingeführt. Es ist in der Lage, auch in Verfahren, die sich gegen namentlich bekannte Beschuldigte richten, zusätzlich den Namen des Geschädigten zu erfassen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie verfahrensbedingte Mängel auch als solche behandelten und nicht den Eindruck persönlicher Fehlleistungen erweckten.

Jan Frischmuth, Leitender Oberstaatsanwalt

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