■ Die Anderen: "Liberation" aus Paris, "La Vanguardia" aus Barcelona, das "Handelsblatt" und die "FAZ" schreiben zur Reform des Staatsbürgerrechts in Deutschland
„Libération“ aus Paris schreibt zur Reform des Staatsbürgerrechts in Deutschland: Für Deutschland, das heute noch das Blutrecht anwendet, ist dieses Projekt in der Tat revolutionär. Die in Deutschland geborenen Kinder von Ausländern können nun Deutsche werden unter der Bedingung, daß ein Elternteil selbst in Deutschland geboren oder vor seinem 14. Lebensjahr dort angekommen ist. Angesichts der deutschen Tradition noch umwälzender ist die Tatsache, daß die Reform die Möglichkeit vorsieht, seine ursprüngliche Nationalität zu behalten und damit von einer doppelten Staatsangehörigkeit profitieren zu können. Deutschland betrachtete seine Nationalität bislang als zu kostbar, um mit einer anderen geteilt zu werden.
„La Vanguardia“ aus Barcelona schreibt dazu: Eine Änderung des Staatsbürgerrechts ist in Europa immer schwierig. Dies gilt ganz besonders für Deutschland. Das Reformvorhaben der Sozialdemokraten ist höchst umstritten. Aber es ist auch notwendig, die Gesetze an die Realität des Landes anzupassen. Die Gegner befürchten einen neuen Zustrom von Ausländern und gefährliche Loyalitätskonflikte für Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft. Sie sollten sich vor Augen führen, daß man in Deutschland bereits Amerikanern oder Franzosen eine doppelte Staatsbürgerschaft zuerkennt. Wenn man sie den Türken verweigert, würde dies bedeuten, daß letzten Endes nur Hautfarbe und die Religion zählen.
Das „Handelsblatt“ meint: Sonderlich begehrt war das weinrote Büchlein bei den Ausländern bislang nicht: Nur 83.000 von ihnen haben sich 1997 einen deutschen Paß ausstellen lassen – dabei hätten weit mehr als eine Million Menschen das Recht dazu gehabt. Doch viele von ihnen fühlen sich zwischen zwei Kulturen hin- und hergerissen. Die rot-grüne Koalition hat sich daher nun auf die Paragraphen verständigt, mit denen sie den Erwerb der Staatsangehörigkeit erleichtern will. Doch selbst wenn sich das Dokument zum Bestseller entwickeln sollte: Gratis auf den Marktplätzen der Republik verteilen wird die neue Regierung den Mitgliedsausweis für den „Klub deutscher Nation“ glücklicherweise nicht.
Die „FAZ“ schreibt: Daß die Neubürger nicht Verbrecher und auch nicht Verfassungsfeinde sein möchten, scheint der SPD bedeutsamer als den Grünen. Daß die Grünen darüber hinaus den Verwaltungsakt billiger machen möchten, unterstreicht wie von ungefähr die Gesamtlinie, daß die deutsche Staatsbürgerschaft billig zu haben sein soll. (...) Im Plan der regierenden Koalition soll die Einbürgerung sowenig wie möglich an den Integrationswillen des Eingebürgerten gebunden sein. Das ist der Kernpunkt des Streits mit der Opposition: Die sieht die Staatsbürgerschaft nicht als Mittel der Integration, sondern als deren Abschluß. Die Regierung geht über die berechtigten Sorgen und Bedenken hinweg.
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