■ Die Anderen: "Liberation" (Paris) und "El Pais" (Madrid) beschäftigen sich mit den Reaktionen auf die kurdischen Flüchtlinge in Italien / "Il Messaggero" (Rom) kommentiert die Massaker in Algerien und die Reaktion der Regierung in Algier
„Libération“ aus Paris beschäftigt sich mit der deutschen Reaktion auf die kurdische Flüchtlingswelle: Die Furcht vor dem kurdischen Flüchtling hat Deutschland schneller und leichter erreicht als die kurdischen Flüchtlinge selbst. Offiziell ist noch kein einziger der illegalen Einwanderer, die in den letzten Wochen in Italien an Land gingen, bis nach Deutschland gekommen, dem Traumziel von vielen unter ihnen. Aber die Bilder von Hunderten von Flüchtlingen, die nach Italien strömen, haben ausgereicht, um in Deutschland eine kleine Psychose auszulösen. Zu Beginn eines arbeitsreichen Wahljahres, in den sich die Mannschaft von Kanzler Helmut Kohl in jedem Fall als Meister der Ordnung und der Überwachung jeder Immigration präsentieren will, hat die neue Drohung eines kurdischen Zustroms die Regierung zu einer Inflation äußerst harter Worte gegenüber ihren europäischen Partnern bewegt.
Zum Strom kurdischer Flüchtlinge nach Italien schreibt die „El Pais“ aus Madrid: Der massive Strom illegaler kurdischer Einwanderer nach Italien verlangt nach Lösungen. Diese können nicht einfach darin bestehen, die Grenzen zu schließen, wie Deutschland das verlangt. Ein solcher Schritt ist weder machbar noch wünschenswert. Ein Europa, das nicht in der Lage ist, mit den unausbleiblichen Migrationsbewegungen fertig zu werden, wäre nicht überlebensfähig. Der Kontinent ist seit Jahren nicht nur ein Einwanderungsland, sondern auch ein Zufluchtsort für politisch Verfolgte. Und dies ist ein Teil seines Wesens. Allerdings sind auch die Sorgen der Deutschen verständlich. Deutschland nahm nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Bosnien-Krise den Großteil der Flüchtlinge auf. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der kurdischen Einwanderer versechsfacht.
„Il Messaggero“ aus Rom kommentiert die Massaker in Algerien und die Reaktion der Regierung in Algier: Es handelt sich jetzt um Völkermord, um Massenvernichtung. Die Gewalt in Algerien hat nun derart extreme Ausmaße erreicht, die gleichsam irreal erscheinen: Hunderte Menschen bei lebendigem Leibe verbrannt, verstümmelt durch Axthiebe. Es scheint offensichtlich, daß die Regierung General Zérouals nunmehr die Angebote aus dem Westen zur Zusammenarbeit, die er bislang als Einmischung abstempelt, nicht mehr zurückweisen kann. Aber bisher herrscht in Algier eine vollständige Sperre. Gestern hat es sich, aus deren Sicht, Frankeich „erlaubt“, die Regierung aufzufordern, alles für die Sicherheit der Bevölkerung zu tun und alles zu unternehmen, um bald zu einer wirklichen Demokratisierung zu gelangen. Die Antwort kam sofort, die französische Erklärung sei nicht hinzunehmen.
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