■ Die Anderen: "Ein Watergate für Arme" nennt "Liberation" die Clinton-Affäre / "Vom Löwen zum geilen Kater" betitelt die "Moskowski Komsomolez" ihren Kommentar zum Thema / "Le Figaro" titelt zum Thema Clinton: "Benehmen wie die Chorknaben"
„Ein Watergate für Arme“ nennt die Pariser „Libération“ die Clinton-Affäre: Der Kartensaal des Weißen Hauses, in dem Bill Clinton das Geständnis einer Liaison mit einer jungen Praktikantin abgelegt hat, ist derselbe wie der, von dem aus Franklin D. Roosevelt den Verlauf des Zweiten Weltkriegs verfolgt hat. Daß beides am gleichen Platz stattfand, gibt eine Idee vom Ausmaß des Lächerlichen, das dieses Watergate für Arme seit Anfang an charakterisiert. Man müßte nach diesen Maßstäben John F. Kennedy aus dem amerikanischen Pantheon verjagen, der hundertfach Clintonscher Vergehen schuldig ist. Oder allen untreuen Männern jede öffentliche Beschäftigung untersagen, was die Regierung der USA wie auch die anderer Länder stark ausdünnen würde. Die Unabhängigkeit der Richter ist ein Fortschritt unter der Bedingung, daß sie sich ihrer mit Angemessenheit bedienen. Es ist eine Perversion der Judikative zu glauben, daß man sich unter allen Umständen an die Stelle der Politik setzen kann.
„Vom Löwen zum geilen Kater“ betitelt die „Moskowski Komsomolez“ aus Moskau ihren Kommentar zum Thema: Irgendwann hat ein berühmter Historiker den Bewohner des Weißen Hauses mit einem wunderbaren Löwen verglichen, der zu großen Taten bereit ist. Der Sexskandal hat den wunderbaren Löwen auf die Ebene eines geilen Katers herabgesetzt, der zu nicht viel taugt. Das Land hat auf den Auftritt Clintons generell positiv reagiert, die Hauptstadt – negativ. Das, was der Mann von der Straße verzeihen kann, verzeiht der Mann aus dem Dunstkreis der Politik nicht. Für den Mann von der Straße ist die Familie wichtig, für den Politiker – die Macht. Bei Monicagate dreht es sich nicht um Moral, sondern um Macht. Gefangene werden in diesem Kampf nicht gemacht, es geht um den (politischen) Tod.
„Le Figaro“ aus Paris äußert sich mit der Überschrift „Benehmen wie die Chorknaben“ ebenfalls zum Thema Clinton: Vor Clintons TV-Auftritt wollten die Amerikaner nur noch vergeben. Wie die Europäer durch Realismus tolerant geworden, haben sie sich befreit von puritanischen Exzessen. Clintons Popularität hat also allem Wiederauflodern des Monicagate widerstanden. Weil der Wohlstand der USA sich angeblich ihm verdankt, hat ihm die öffentliche Meinung beim Rest die Gunst des Zweifels zugebilligt. Dennoch entschuldigen diese Erklärungen Clinton nicht. Clinton, seit 25 Jahren im Politgeschäft, kennt die Spielregeln genau: In den USA müssen sich Politiker wie Chorknaben aufführen. Seine Ausschweifungen mit Monica sind um so unverständlicher, als die Enthüllungen einer anderen Geliebten, Gennifer Flowers, schon 1992 beinahe seinen ersten Präsidentschaftswahlkampf gekippt hätten.
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