■ die anderen: "Die Presse" (Wien) über die Veruntreuung der internationalen Hilfsgelder für Bosnien / "Der Standard" (Wien) spricht sich gegen die Trennung Montenegros von Rest-Jugoslawien aus
„Die Presse“ (Wien) über die Veruntreuung der internationalen Hilfsgelder für Bosnien: In den durch und durch politisierten Gesellschaften Südosteuropas, in denen der Staat und die Parteien so gut wie alle Bereiche des öffentlichen Lebens kontrollieren und beherrschen, ist natürlich auch der Willkür politischer Gangster keine Grenze gezogen. Was für Systeme wie den Nationalsozialismus und den Kommunismus galt, gilt vice versa und mit Abstufungen auch für die Nachfolgestaaten Tito-Jugoslawiens. In Bosnien-Herzegowina ist der Zugriff der ethnisierten Parteien total. Ohne diese Parteien geht gar nichts. In und mit diesen Parteien kann man, entsprechende charakterliche Disposition vorausgesetzt, sehr rasch sehr reich werden. Und einige sind in dem bitterarmen Balkanland, in dem nach vier Jahren Krieg so gut wie gar nichts produziert wird, auch sehr reich geworden. Wer sich dieser Logik nicht beugt und es nur irgendwie schafft, der wandert aus. Zurück bleibt ein Staat in den Händen der Mafia, der mit internationaler Hilfe das Elend administriert. Was müsste die internationale Gemeinschaft tun? Sie müsste den Einfluss der politischen Parteien beschneiden und die individuelle Freiheit der Bürger schützen. Das ist gewiss nicht leicht. Aber anders wird es nicht gehen.
„Der Standard“ (ebenfalls Wien) spricht sich gegen die Trennung Montenegros von Rest-Jugoslawien aus: Die Montenegriner sind sich einig, dass die Gemeinschaft mit Serbien unter der Herrschaft von Slobodan Miloševic keine Zukunft hat. Sie streben die Unabhängigkeit an. Ähnlich ist die Situation im Kosovo. Die rund 1,8 Millionen Albaner wollen ebenfalls aus dem jugoslawischen Staatsverband ausscheiden. Somit würden neben dem Zwei-Millionen-Land Makedonien zwei weitere Kleinstaaten entstehen. Der Dominoeffekt würde vor den bosnischen Serben nicht Halt machen. Sie würden wohl ihren Austritt aus Bosnien-Herzegowina erklären. Die internationale Staatengemeinschaft kann an einer derartigen Entwicklung mit vielen kleinen, kaum lebensfähigen Staaten kein Interesse haben. Kristallisationspunkt der derzeit ablaufenden politischen Prozesse ist die Diktatur Slobodan Miloševic'. Würde er gestürzt und würden in Serbien demokratische Verhältnisse einkehren, wären die Montenegriner zum Verbleib im Staatsverband bereit. In einem freien, demokratischen und marktwirtschaftlich orientierten Jugoslawien könnten auch die Kosovo-Albaner leben. Mit einer starken Autonomie. Aber noch ist es nicht so weit. Noch sitzt Slobodan Miloševic im Sattel.
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