psychisch kranke kinder : Ist etwas aus den Fugen geraten?
Es wird „Bulimie“ oder „Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom“ genannt. Manchmal auch „Schulverweigerung“ oder „Hyperaktivität“. Mitunter fallen zudem Worte wie „Drogenmissbrauch“ oder „Psychose“. Wie jetzt in Berlin schlagen MedizinerInnen und Selbsthilfeverbände immer wieder Alarm, weil sie eine Zunahme psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen feststellen.
KOMMENTAR VON WALTRAUD SCHWAB
Kinder sind ein Spiegel der Gesellschaft. Der Satz mag Klischee sein, widerlegt wurde er bisher nicht.
Wenn fast 4 Prozent aller 15- bis 24-Jährigen in Deutschland an Ess-Brech-Sucht leiden, dann mag ein Gedankenexperiment zwar keine Antwort, wohl aber ein paar Fragen heraufbeschwören: Die Kinder fressen, sie stopfen Essen in sich hinein, ein Glas Nutella, ein halbes Pfund Butter am Stück, und dann kotzen sie es wieder aus.
Wofür aber, übertragen auf die Gesellschaft, steht das? Für ein Turbokonsumverhalten, das außerhalb jedes geordneten Maßes liegt? Für sofortige Bedürfnisbefriedigung ohne Verstand, die am Ende die Wegwerfideologie auch noch toppt?
Oder die Kinder mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom: Sie können sich auf nichts konzentrieren, rennen in der Gegend rum, brüllen, schlagen um sich. Wie spiegeln sie die Gesellschaft? Etwa im Zwang zu immer größerer Schnelligkeit? Leben sie vielleicht in ihrem Kopf den Straßenverkehr in der Rushhour?
Ganz abwegig sind solche simplen Gedankenspiele nicht. Kinder reagieren schneller auf das, was auch immer mehr Erwachsenen die Lebensbewältigung erschwert und die Orientierung in einer individualisierten Konsum- und Suchtgesellschaft vernebelt.
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