prêt-à-porter : Eine gelungene Melange aus Gl’amour und Pragmatik
Feminität wird ein Thema des Sommers, nicht nur bei Céline. Bei Issey Miyake sind die Baströcke am eindrucksvollsten
Zu sehen war nichts davon. „Walk boyish and don’t follow the music“: Ob die Models die Catwalkweisung für das Céline-Defilee gelesen haben? Vielleicht stand auch einfach der Absatzschuh dem Knabengang entgegen. Oder die Röcke, die das Knie freigaben und in breiten Falten unten aufsprangen. Dreiviertelärmel an den Mänteln, Ballonröcke und den Reifen im Haar: Da war kein Bruch in der adretten Frische. Sogar die Pythonfarbe fügte sich diskret in die Palette von Türkis und Cyclamfarben, Taubenblau und Puder ein. Es war hübsch. Es war die beschwingte Seite der Fünfzigerjahre. Tragbar ist sie sicher.
Es war großer Andrang bei Céline, denn erstmals zeigte Roberto Menichetti, der den Amerikaner Michael Kors als Chefdesigner ablöst. Nach Schau und Jubel war er der Mann in der Kameratraube: Alles drängte sich an Menichetti heran, der recht gelassen mit dem Rücken zur Wand stand. Ab und zu strich er sich das Haar aus dem Gesicht. Ein wenig femininer sei die Kollektion geworden, war zu hören.
Femininität ist ohnehin ein Thema. Der Sommer tendiert zu den klassisch weiblichen Materialien – Fließendes, Weiches, Durchsichtiges. Daneben Farbe, Genre und Form: Fuchsia allenthalben, die Abendrobe bei Lagerfeld Gallery und die kurz über dem Boden aufspringenden Volantröcke bei Jean Paul Gaultier. „Urban Gypsies“, sagte der Designer dazu. Bei Tim van Steenbergen hieß es „Feminicity“.
Urbanität, so scheint es, ist die Chiffre fürs Zeitgemäße. Und Urbanität in der Mode, das ist die gekonnte Melange aus Glamour und Pragmatik. Ein wenig Glamour, das am Rande, fällt für den Deutschsprechenden ab, wenn er das a nicht amerikanisiert. In der Menge hört man es zuweilen. Was ist schon Glämmer gegen l’amour mit dem G davor. „Urbaner Gl’amour“, das kann man ewig sagen.
Naoki Takizawa für Issey Miyake kommt schon vor dem Defilee in eine andere Verlegenheit, entzündet an der knappen Infrastruktur. In der ehemaligen Markthalle ein WC für zwei Geschlechter; die Schlange ist lang. Ist einer weg, kommen zwei dazu, und zwar an den Schlangenanfang: „Cette femme doit travailler“, schiebt der Stylist die Models heran. „Me too“, muss sich Suzy Menkes, Modekritikerin der International Herald Tribune, denken. Dann kann man eben plaudern. Menkes, die stets in der ersten Reihe einen Platz hat, ist eine der Hauptpersonen der Prêt-à-porter-Schauen. Keine Schau lässt sie ausfallen, reportiert täglich. Wäre sie schwer vom Gewicht all der Kollegen, die auf ihren Schultern stehen: Da wäre kein Fortkommen mehr. Ihr Charakteristikum: ihre Unauffälligkeit. Bis auf die Tolle in der Stirn, die mit einem Clip befestigt ist.
Aber zu den Kleidern: Anzüge mit schmaler Silhouette und großzügiger Beinweite, als sei die Sonne aufgegangen. Oder ein Farbbeutel. Bodysuits aus Spitze, die mit einem Minirock getragen werden; hautfarben eine triste Geschichte. Am eindrucksvollsten aber sind die Baströcke. Wie ein Hut auf den Hüften, dessen lange Krempe um die Knie schwingt. Oben wird die feine Bastkorsage getragen, mit Lederband gegürtet. Zunächst verbirgt ein Tuch den Bast. Die Eigendynamik des Rockes geht ins Wabblige mit jedem Schritt. Es zittert das Tuch. So aufregend kann die Mode sein. KATRIN KRUSE