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Archiv-Artikel

preußens gloria auf grüner insel von RALF SOTSCHECK

Die preußische Bürokratie ist wiederauferstanden und hat sich des irischen Bauamtes bemächtigt. Mein Freund Aribert wollte an seinem reetgedeckten Haus an der irischen Westküste einen Anbau errichten. Die Genehmigung lag vor, und so begann er mit einem Maurer die Steine hochzuziehen. Ein missgünstiger Nachbar zeigte Aribert jedoch anonym an, weil der Rohbau eine Tür, die im Plan ein Fenster war, sowie einen nicht eingezeichneten Kamin enthielt. Die Behörde stoppte den Bau: Aribert müsse neue Pläne einreichen. Das war vor einem Jahr.

Seitdem hat er viele Pläne eingereicht, die ihm alle zurückgeschickt wurden. Einmal hatte er das bestehende Haus rot und den Anbau grün umrandet statt umgekehrt. Ein anderes Mal hatte er den Bestimmungszweck der Zimmer im Anbau nicht eingezeichnet, als ob jemand später kontrollieren würde, ob im Kinderzimmer tatsächlich Kinder schlafen.

Wer bauen will, muss am Grundstück auf einem A4-Blatt in wasserdichter Folie seine Absicht kundtun, damit die Nachbarn die Gelegenheit haben, einem die Suppe zu versalzen. Das hatte Aribert jedes Mal gewissenhaft erledigt, beim neuen Anlauf fiel er dennoch durch: Bei einem Wiederholungsantrag muss die Notiz auf gelbem Papier verfasst sein, belehrte ihn das Amt, wies ihn aber zum Glück darauf hin, dass er die Notiz beim nächsten Mal auf weißes Papier zu schreiben habe, da die Vorschrift nächste Woche geändert werde.

Bei jedem Formfehler erhält man die Verwaltungsgebühr per Scheck zurück und muss dieselbe Summe erneut entrichten, wenn man den korrigierten Antrag einreicht. Aribert wollte das Verfahren abkürzen und legte dem Neuantrag den nicht eingelösten Behördenscheck bei. Das war wieder ein Fehler. Zwar handelte es sich um dieselbe Summe, aber das Bauamt lehnte den eigenen Scheck ab. Hatte man Angst, dass er platzen würde?

Neulich ersann das Bauamt eine neue Variante im Katz-und-Maus-Spiel. Diesmal lehnte es den Antrag ab, weil Aribert das Dach des Anbaus mit Kupfer decken wollte. Es müsse wie das alte Haus mit Reet gedeckt werden, beschied die Behörde. Auf Ariberts Einwand, dass der Brandschutzbeauftragte ihm Reet verboten habe, weil der Anbau zu nah an der Grundstücksgrenze stehe, meinte der Bauamtschimmel, dass Brandschutzbeauftragte nichts zu sagen haben.

Dann dämmerte ihm offenbar, dass man ihn möglicherweise zur Verantwortung ziehen würde, falls das Dorf wegen des von ihm erzwungenen Reetdaches in Flammen aufginge, und er schlug vor: Wenn schon Dachziegel, dann aus Schiefer, aber in dem Fall müsse das Reet auf dem alten Haus heruntergepult und durch Dachziegel ersetzt werden. „Schließlich handelt es sich um eine verwundbare Landschaft“, fügte er mit erhobenem Zeigefinger hinzu. Er arbeitet für dieselbe Behörde, die im Nachbarort die wunderschöne Landschaft durch ein grauenhaftes Hotel im Stile eines Wildwestforts verschandeln ließ, während die irische Tourismusindustrie mit Fotos von reetgedeckten Häusern wirbt, vor denen ein paar Schafe herumlungern.

Aribert überlegt nun, ob er den halbfertigen Anbau in die Luft sprengen soll. Oder doch lieber das Bauamt.