press-schlag : DFB-Dramolettchen
Voller Spannung wartete ganz Deutschland sehr lange auf das banale Ergebnis der Ballack-Löw-Aussprache: Ballack bleibt Kapitän
Jetzt ist sie dann womöglich doch noch nicht vorbei, die dolle Ballack-Löw-Mini-Novela. Über die man so prima schwadronieren konnte – und weiter kann. „Der Ballack ist doch ein hinterhältiger Hund!“ „So ein Quatsch, Löw hat einfach keine Autorität!!“ „Blödsinn, der darf sich so was nicht von einem Spieler bieten lassen!“ „Wie bitte?! Ballack hat doch Recht!“ „Der Ballack, dieser Heini, der leistet seit Monaten nichts mehr, der fällt nur um!“ So in etwa.
Die ganze Sache lief zwar nicht ganz im üblichen Saubermann-Konzept des Rund-um-die-Uhr-Vermarktungsgenies Bierhoff, aber immerhin: In länderspielfreier Zeit gab es selten so viel Aufmerksamkeit für die DFB-Schönlinge. Und dann dieses sagenhaft tolle Finale, eingeleitet durch eine supergeheime Aussprache. Na, sagen wir: halb geheim, ganz geheim hätte ja fürs Dramolettchen wenig gebracht. Donnerstag am frühen Abend also fliegt Michael Ballack halb geheim und ganz teuer im Privatjet von London nach Frankfurt am Main, Joachim Löw empfängt ihn in der Otto-Fleck-Schneise, dem DFB-Hauptquartier. Wie aufregend!
Was bot das zuvor dem geneigten Publikum für ein kleinkariertes Vergnügen, zehn Tage lang die Exegese eines übellaunigen Interviews des Kapitäns Ballack, diverser Promi-Reaktionen pro und contra sowie Zwischenmeldungen des Trainers Löw zu betreiben. Bemerkenswert, wie ein Bundestrainer, der im öffentlichen Auftritt zu leichter Verkniffenheit neigt, und ein Nationalmannschaftskapitän, der medial meist nur unverbindlich lächelt, derart für emotionale Wallungen sorgen können. Ergriffen durch das aufgeplusterte Beleidigtsein von Ballack und Löw hätte man fast vergessen können, dass beide leitende Funktionen bei einem Auswahl-Team innehaben, das sportlich öfter mal wieder traditionsbewusst über die Spielfelder rumpelte.
Zurück nach Frankfurt: Kurz vor 20 Uhr am Donnerstag vermeldet der DFB das Treffen hochoffiziell und teilt weiter mit, dass er nichts zu vermelden habe, außer, dass es am nächsten Tag „eine Stellungnahme“ geben werde. Mann, ist das spannend. Weil Freitagfrüh kaum noch jemand das Frankfurter Verdikt erwarten kann – ist es zur Versöhnung gekommen, oder steht Degradierung des einstigen Capitano, gar dessen Rauswurf bevor? –, kündigt der DFB beizeiten an, dass bald angekündigt werde, wie die „medialen Abläufe“ sich gestalten. Es ist nervenaufreibend.
Zu diesem Zeitpunkt meldet Deutschlands größte Boulevardzeitung bereits siegessicher, dass „die Zeichen auf Versöhnung“ stehen und hat – Überraschung – Fotos vom Geheimtreffen. Die Aufnahmen von Löw und Ballack irgendwo auf einem Gang haben das Niveau von Bildern aus Überwachungskameras, wie sie bei „Aktenzeichen XY ungelöst“ der Anprangerung dienen. Doch Obacht: Löw scheint Ballack ein paar Schritte zu enteilen. Ein Zeichen? Beunruhigend auch, dass dann aus Frankfurt stundenlang nichts mehr kommt außer viel Schweigen. Ein Schweigen, das viel Platz für Spekulationen bot. Ist die Führungskraft Löw entscheidungsschwach? Hat die Nacht neue Erkenntnisse gebracht? Ist wer verzweifelt auf der Suche nach Respekt und Anstand? Oder zögert Löw nur das Finale des wonnigen Machtkampfs hinaus? Umso banaler fiel dann das sehnlichst erwartete Ergebnis aus. Löw wird zitiert: „Michael Ballack bleibt mein Kapitän.“ Und weiter hieß es in der Pressemitteilung des DFB: „Über alle detaillierten Abläufe und Inhalte der Aussprache zwischen Löw und Ballack wurde Vertraulichkeit vereinbart.“ Schade, Mann.
KATRIN WEBER-KLÜVER