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Archiv-Artikel

press-schlag Wenn George W. Bush von Krieg spricht, ruht der Ball

Gerechte Aufgabenverteilung

Von MV

Gestern erreichte uns die Nachricht, dass die Meisterschaftsspiele der NBA während der Kriegserklärung von George W. Bush unterbrochen bzw. später angepfiffen worden sind. Im Staples Center von Los Angeles, wo die Clippers gegen die Denver Nuggets spielten, verfolgte das Publikum über die Videoleinwand die vierminütige Rede. Die meisten Zuschauer spendeten Applaus. Die wenigen Pfiffe wurden übertönt.

Dass sich Sport und Politik so gegensätzlich verhalten wie Plus und Minus, davon kann schon lange keine Rede mehr sein. Vielmehr verschmelzen die vermeintlichen Gegenpole zu einer rissfesten Legierung – katalysiert durch die allgegenwärtige Inszenierung amerikanischer Heimatversessenheit. Die Politik bemächtigt sich seiner Sporthelden. Beim diesjährigen Super-Bowl rauschten wie selbstverständlich Maschinen der Air Force übers Stadion. Dafür wurde sogar kurzfristig das Flugverbot über Sportarenen außer Kraft gesetzt. Kriegsveteranen auf dem Spielfeld stellten die Bodentruppe.

Monatelang spielten die Profiligen mit dem 9/11-Schleifchen am Trikot. Es ist anzunehmen, dass sich kaum jemand über die Unterbrechung der NBA-Spiele aufregen wird. Wenn es um das Wohl des Landes geht, hat Air Jorden gefälligst am Boden zu kleben und Kobe Bryants Angriffswirbel zu erlahmen. Die wichtigen Angriffe werden ohnehin nicht mehr auf Körbe geritten, sondern in der arabischen Wüste.

Sport hat sich noch nie im Stande der Unschuld bewegt. Die These „Sport und Politik schließen einander aus“ wird trotzdem wie eine apriorische Tatsache behandelt. Indes: Der Arm des Politischen reicht krakenartig in den Sport hinein. Viel besser macht dies die Instrumentalisierung der NBA und anderer Profiligen nicht. Sports Illustrated hat vorsorglich schon mal eine Rubrik „Sports & War“ eingerichtet.

Aber warum wird nun eigentlich darüber diskutiert, dass Athleten nicht mehr ihre Besten ermitteln dürfen? Warum werden Veranstaltungen wie der Washington-Marathon kurzfristig abgesagt? Wieso wird der Sportszene nahe gelegt, sie möge in Zeiten, wo Bomben und Soldaten fallen, in Starre und moralisches Entsetzen fallen? Gegenfrage: Weshalb werden nicht die Bombenbastler von Lockheed-Martin zur Einstellung ihrer Arbeit angehalten?

Beides kommt für Amerika nicht in Frage. Die Show muss weitergehen. Da wird gerüstet und gebombt, hier geworfen und gedunkt. Auch George W. Bush weiß: Gerade in diesen Tagen hat Amerika ein Recht auf sportliche Unterhaltung. Es darf keine großen Absagen hageln. Die Truppe tut ihr Bestes. Und die NBA sowieso. MV