press-schlag : Sicher ist sicher: Drei gewinnt
Zu dritt verteidigen oder zu viert? Das Zahlenspiel soll verbergen, dass der Angsthasenfußball in der Bundesliga ausgebrochen ist
Was soll der Mensch machen, wenn die Dunkelheit hereingebrochen ist, der Strom ausgefallen und es nichts bringt, wütend auf dem Lichtschalter herumzudrücken? Es muss eine andere Lösung her, aus Sicherheitsgründen am besten eine traditionelle, erprobte. Im Falle der Dunkelheit also die Kerze. So eine Kerze gibt ja auch nicht nur schönes Licht, sondern spendet sogar noch etwas Wärme. Ach! Kommen wir zum Fußball: Was soll der Trainer machen, wenn wochenlang die Erfolge ausgeblieben sind, der Tabellenstand prekär ist und es nichts bringt, den Jungs zu erklären, wie unglaublich modern die Viererkette ist? Wenn kein Abwehrspieler den Ball unter Kontrolle bringt, die gegnerischen Angreifer immer die vermaledeiten Lücken im Schnittstellenbereich der Innenverteidigung finden und munter Gegentore fallen? Was macht da der Trainer? Er stellt um. Er exhumiert zwar nicht gleich den vor wenigen Jahren nach langem Siechtum beerdigten deutschen Libero, wenngleich das vermutlich mancherorts die allerkuscheligsten Wohlfühleffekte hätte. Aber der Trainer erinnern sich immerhin der Solidität ausstrahlenden Anzahl der Mannen in der letzten Reihe: Nimm drei statt vier.
Im Laufe dieser Saison haben etliche Mannschaften die Dreierkette ins Repertoire aufgenommen: Berlin, Wolfsburg, Nürnberg, Kaiserslautern, Gladbach, Duisburg etwa. Dass der 1. FC Köln bereits am ersten Spieltag die Dreierreihe parat hatte, kann man inzwischen als Hinweis darauf verstehen, wie klar denen von Anfang an war, welch riesiges Problem die Erste Liga werden würde. Die kleine Kettenvariante ist in dieser Bundesligasaison ein beliebtes Modell der Not, gern auch der höchsten Not. Hans Meyer hat nach seiner Amtsübernahme in Nürnberg einige Zeit zwischen Vierer- und Dreierkette gewechselt. Vielleicht auch, weil er gar nicht so versessen auf das Notmodell war, aber erfolgreicher war der Club insgesamt mit der Dreierkette und so hat die sich weitgehend durchgesetzt. Unter den aktuell abstiegsgefährdeten Vereinen hält allein Mainz – tapfer und in dieser Konsequenz den ersten vieren der Liga folgend – immer an seiner Viererkette fest.
Der Sinn der Umstellung auf eine Dreierkette ist ziemlich offensichtlich. Man sieht es schon daran, dass sie besonders gern gegen die offensivstärkste Mannschaft der Liga, Werder Bremen, erprobt wird. Spielerisch ist das zwar nicht schön anzusehen. Aber gelegentlich ist es erstaunlich erfolgreich. Der 2:0-Sieg von Kaiserslautern im Februar in Bremen war das Ergebnis eines absurd einseitigen Spiels, in dem Bremen sich in der bis dato in fast allen Spielen erbarmungswürdig unorganisierten Defensive der Pfälzer festlief. Später war auch Hertha BSC in Bremen mit drei Mann in der letzten Reihe erfolgreich. Wobei die Berliner davon profitierten, wie paralysiert die Bremer noch vom Drama des verlorenen Spiels gegen Juventus Turin waren.
Nicht so gut lief es für Gladbach, die das Modell gegen Bremen zwischendurch ebenfalls erprobten. Aber es kann ja auch nicht immer alles gleich gut laufen, nur weil man mit Begeisterung und bekennend unmodern wird. An diesem Wochenende werden die Bremer sich wohl an einer Frankfurter Dreierreihe abarbeiten müssen.
Und ihren Vorderleuten. Denn eine Aufstellung mit drei Abwehrspielern an sich ist ja nicht zwangsweise offensivfeindlich. Entscheidend ist, was davor passiert. Die spielerisch und defensiv schwache Mannschaft hilft sich, indem sie mit zusätzlichen defensiven Mittelfeldspielern agiert. Zwei Sechser also. Mindestens. Und im Zweifelsfall werden die, die im Mittelfeld eher außen postiert sind, auch noch zur Dauerdefensive eingeteilt. Schon mühen sich nominell sehr viele, damit die Null steht. Zum Angreifen steht da logischerweise nur noch sehr überschaubare Manpower zur Verfügung. Kaiserslautern hat dieses freudlose Spiel ohne offensives Mittelfeld besonders weit entwickelt, ist aber in der Abwehr wegen Verletzungsproblemen jüngst übergangsweise zur Viererkette zurückgekehrt. Gegen Gladbach reichte das zu einem 3:0, dem höchsten Saisonsieg. Die Gladbacher hatten dabei eine weitere Variante der vollständigen Defensive getestet: die doppelte Viererreihe. Masse allein reichte aber nicht mal auf dem Betzenberg.
Zum Schluss noch die gute Nachricht für alle, die im Stadion bei der Analyse von Abwehrreihen nebenbei lesen und essen wollen, was ihnen passt, und die nicht glauben, dass der Mensch an sich das größte Problem eines Fußballturniers ist: Nur noch 100 Tage, dann ist die WM – Entschuldigung: ist der Fifa-World-Cup [TM]bereits Geschichte.
KATRIN WEBER-KLÜVER