press-schlag : Sensibilisierung im Stadion
Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, kämpft gegen Rassismus in den Arenen. Das wird auch Zeit
So sieht das also aus, wenn ein DFB-Präsident das Thema Rassismus zur Chefsache macht. Theo Zwanziger scheint es ernst zu meinen. Das Anti-Rassismus-Transparent, hinter dem sich die Nationalmannschaften Deutschlands und Georgiens vor dem Anpfiff ihres Spiels am Samstag fotografieren ließen, ist mehr als ein großes Feigenblatt gewesen. Seit Theo Zwanziger Klartext spricht, wird allüberall darüber diskutiert, was aus den Kurven gegrölt wird. Dass das nicht immer nur Nettigkeiten sind, weiß jeder, der regelmäßig ein Fußballstadion besucht. Und dennoch wurde schon lange nicht mehr derart vehement gefordert, dass gewisse Äußerungen gefälligst zu unterbleiben haben.
Die üblichen Abwehrreflexe beim Thema Rassismus funktionieren nicht mehr, wenn es jemanden gibt, der ein Problembewusstsein für das Thema entwickelt hat. Denn meist scheitert der Kampf gegen den Rassismus daran, dass das Phänomen an sich verleugnet wird. „Wir haben kein Problem“, sagen oftmals Bürgermeister von Gemeinden, in denen ein örtlicher Jugendclub in der Hand der rechten Szene ist. So lange, bis jemand Opfer eines gewaltsamen Übergriffs geworden ist, nur weil er kein Deutscher ist. Erst dann machen sie betroffene Miene zum blutigen Spiel.
„Wir haben kein Problem“, das sagen auch die Chefs der Fußballvereine, aus deren Stadionkurven Widerliches zu hören war. Der Hallesche FC will nicht wahrhaben, dass seine Fans schon wieder Ärger gemacht haben, den gleichen Spieler, Adebowale Ogungbure, mit Affenlauten bedacht haben, der von Halle-Anhängern nur ein halbes Jahr zuvor beschimpft, geschlagen und gewürgt wurde. Theo Zwanziger wollte den Versicherungen des Vereins nicht glauben und hat sich persönlich über die Vorfälle informiert. Da reagiert ein Funktionär, bevor Blut geflossen ist und braune Listen Wahlen gewonnen haben. Ein Umstand, an den sich die Landesverbände, die Vorsitzenden der Clubs erst gewöhnen müssen. Und der DFB-Präsident singt das Hohelied auf Multikulti. Auch das ist neu.
Vor gut einem Jahr sind deutsche Fans beim Auftritt der Nationalmannschaft in der Slowakei aufgetreten wie eine Kameradschaftshorde. „Wir sind wieder einmarschiert“, grölten sie bis in die deutschen Wohnzimmer. Natürlich engagiert sich der DFB-Chef auch deshalb so stark wider den Rassismus, weil er Sorge hat, mit der Nationalmannschaft Opfer der im April verabschiedeten Anti-Rassismus-Paragrafen in der Fifa-Satzung zu werden. Sollten DFB-Fans sich in einem Qualifikationsspiel noch einmal so aufführen, wie sie es im September 2005 getan haben, drohen harte Strafen bis hin zum Punktabzug. Damals haben sich übrigens weder der TV-Kommentator noch der Großteil der angereisten Journalisten zum Auftritt der Fans geäußert. Beim Spiel in Rostock, wo vor vier Wochen bei einem Pokalspiel Gerald Asamoah beschimpft wurde, haben alle ganz genau hingehört. Es gibt plötzlich ein Problembewusstsein beim Thema Rassismus. Theo Zwanziger sei Dank!
ANDREAS RÜTTENAUER