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Archiv-Artikel

post aus peking Konspirativer Thrill und viele persönliche Kontakte: Auf CD- und DVD-Einkauf im dunklen Gassengewirr von Peking

Es ist ganz einfach, in Peking einen oder gleich ein paar persönliche CD- und DVD-Händler zu finden. Man muss nur losgehen, sie fliegen einem förmlich zu. Händler Nummer eins heißt Lin Lin und findet sich in dem Gassengewirr nur ein paar hundert Meter vom Platz des Himmlischen Friedens entfernt.

Hier sitzen grell geschminkte Mädchen in den Schaufenstern vermeintlicher Frisörläden, und hier hängen sich plötzlich junge Männer penetrant in die Arme der Passanten und fordern sie auf, einen Blick auf ihre Schätze zu werfen. Hinter unscheinbaren Blechtüren warten andere auf die Klopfzeichen und öffnen dann die Tür zu einem kleinen, fensterlosen Raum. Auf den Tischen Kartons mit CDs und DVDs. Sie haben hier wirklich alles, oft für einen halben Euro das Stück: Sämtliche Blockbuster der letzten Jahre bis hin zu „Kill Bill 2“, „Troja“ und dem neuen „Harry Potter“, aber auch Anspruchsvolleres wie „Lost In Translation“ oder „Monster“. Es gibt die aktuellen Alben von George Michael und den Black Eyed Peas, aber auch von Courtney Love, Prince und die neue Beastie Boys. Man muss ein bisschen aufpassen, dass man keine Mogelpackung mit Pop aus Taiwan erwischt, dafür sind auf einer CD von Kylie Minogue noch ein paar Bonussongs von Madonna gepresst. Fragt man die Verkäufer nach ein paar seltenen Filmen, wird endlich Lin Lin gerufen und stellt sich freundlich vor. Er scheint hier der Boss. Nach einigem Hin und Her mit den Kollegen führt er uns heraus aus dem Kabuff und der Gasse, hinein in eine belebte Einkaufsstraße und einen hell erleuchteten Laden.

Tatsächlich gibt es hier noch mehr zu finden. Nicht, dass es teuer wäre – höchstens ein paar Cent mehr wegen des Schutzgeldes an die Polizei –, aber es fehlt der konspirative Thrill. Zum Abschied verteilt Lin Lin Visitenkarten. Ohne Adresse, dafür sind zwei Straßenecken verzeichnet, wo man ihn meistens finden kann. Weiter geht es Richtung Norden. In der Nähe der Unis soll es einen winzigen Laden geben mit Punk, Garage, Noise und Ambient aus China, Musik also, wie man sie sonst nur im Internet findet. Der Laden liegt sehr versteckt, es gibt kein Schild und ein Vorhang versperrt den Blick durch das winzige Fenster – chinesische Eingeweihten aber, die einen hinführen, begegnet man hier auf Schritt und Tritt.

Das Zimmer ist höchstens drei Quadratmeter groß, überall selbst zusammengenagelte Regale mit CDs, Filmen, Büchern. In der Ecke ein Waschbecken, eine Thermoskanne, eine Gitarre, auf dem Boden füllt eine Matratze den ganzen Raum, darauf sitzt ein stoisch lächelnder Junge im Schneidersitz. Er fragt, was man denn für Musik möge, man nennt die White Stripes, und er zieht sofort das Pekinger Pendant aus dem Regal. Man nennt die Streets, und auch da geht was. Und Platten, die nur klingen wie sie selbst, sogar ein bisschen chinesisch, die hat er auch.

Als man ihm dann noch ein paar Namen von chinesischen Regisseuren nennt, deren Filme in China nicht gezeigt werden dürfen, fangen seine Augen an zu glitzern. Er kramt einen Karton hervor und befördert eine Kollektion lang gesuchter Filme ans Tageslicht, alle nur in Packpapierhüllen, dafür aber mit englischen Untertiteln. Mit Tüten voller Beute geht es nach Hause.

Im heimischen Supermarkt gilt es dann, Getränke für einen langen Abend zu erwerben. In der DVD-Abteilung zwischen dem Obst und dem Bier winkt schon der persönliche Händler Nummer drei. Er hat es endlich geschafft, Zhang Yimous opulenten Propagandafilm „Hero“ zu besorgen. Den will zwar keiner mehr sehen, alle warten schon auf den neuen Film von Yimou. Aber auch den wird man bald kaufen können. Noch bevor er im Juli in die chinesischen Kinos kommt. SUSANNE MESSMER