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Archiv-Artikel

portrait Ex-Weltrekordler holt Olympia für London

Sebastian Coe kam die heikelste Aufgabe im Team Londons zu. Er musste die 45-minütige Präsentation der Bewerberstadt um die Sommerspiele 2012 im Ballsaal des Raffles Convention Center von Singapur moderieren. Viele Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) waren noch unentschieden, welche Kandidatenstadt sie wählen sollten: Paris, Madrid, New York, Moskau – oder London. Coe musste überzeugen, Emotionen wecken, um die Gunst der Wankelmütigen werben. Keine einfache Aufgabe. Coe erledigte sie formidabel.

„Ein erfolgreicher Sportler kann eine Sportmessage am erfolgreichsten überbringen. Ein Sieg für London ist etwas ganz Großes, mehr als meine Olympiasiege“, sagte er nach seinem Auftritt vor den Funktionären, die er offenbar von London eingenommen hatte. „Den Unterschied hat die Präsentation ausgemacht. London hat es verstanden, die vier Hauptthemen Fakten, Jugend, Sport und Emotion mit Enthusiasmus rüberzubringen“, sagte Thomas Bach, deutsches Mitglied im IOC.

Vor gut einem Jahr war Sebastian Coe, 49, zum britischen Bewerbungsteam dazugestoßen. Lord Coe, Chairman des Unternehmens Olympia, hatte die US-Amerikanerin Barbara Cassani abgelöst. Die Chancen Londons standen damals eher schlecht. Coe gelang es jedoch, binnen Jahresfrist die ohnehin sportversessenen Insulaner vom Olympiaprojekt zu überzeugen. „Coe schafft es recht gut, Begeisterungsfähigkeit mit Realitätssinn zu paaren“, vermerkte die Neue Zürcher Zeitung an.

Coe präsentierte sich in Singapur stets im edlen Anzug, in einem Outfit, das sich von seinem früheren Stil grundlegend unterschied. Seine größten sportlichen Erfolge erlief Coe in kurzer Hose und Leibchen. Der Mittelstreckler stellte in den 80er Jahren 13 Weltrekorde auf. Seine Bestmarke über 800 Meter hatte 16 Jahre Bestand, bevor sie 1997 gebrochen wurde. Den Wechsel in die Politik vollzog Coe reibungslos. Der konservative Westminster-Parlamentarier, der sich mittlerweile im House of Lords eingerichtet hat, wusste sich auf dem Parkett der Sportpolitik zu bewegen. Sein diskreter Charme kam an. Coes tadellose Manieren wiesen ihn als distinguierten Briten aus. Das vermittelte Seriosität und Glaubwürdigkeit – Eigenschaften, auf die IOC-Chef Jacques Rogge, belgischer Chirurg im Ruhestand, großen Wert legt.

London wird sich mit der Vergabe der Spiele an die Themse verändern, vor allem der Ostteil der Stadt, in dem die Sportstätten und der Olympiapark gebaut werden sollen. Die unterentwickelten Quartiere Hackney und Tower Hamlet kommen nun ins Visier der Stadtplaner. Sebastian Coe wird den Ausbau überwachen. MARKUS VÖLKER