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Archiv-Artikel

portrait Schirmherr der Lesben und Schwulen

Ein markantes Gesicht mit scharfer Nase, Brille, vorzeitig erhöhter Stirn: Der Brillant-Stecker im Ohr ist eigentlich Stilbruch. Baden-Württembergs Sozialminister Andreas Renner ist erst seit April 2005 im Amt. Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) holte den liberalen Singener Oberbürgermeister vom Bodensee in die Landeshauptstadt.

Renner wurde vor 46 Jahren in der Fastnachtshochburg Stockach geboren, studierte Verwaltungswissenschaften in Konstanz, war 1989 als Landesvorsitzender Hoffnungsträger der Jungen Union und diente sich durch die Verwaltungsinstanzen des Bundeslandes. Seit 1993 amtierte er als Stadtoberhaupt in der Kreisstadt Singen.

Dass seine Schirmherrschaft für den Stuttgarter Christopher Street Day (CSD), Motto „Familie heute“, nebst Grußwort und Gala-Auftritt, ihm Ärger in den eigenen Reihen verschafft, hat Renner nicht erwartet. Solch Engagement, wetterte der erzkonservative Landtagsfraktionschef Stefan Mappus, sei „ein Fehler“, mit der CDU-Familienpolitik nicht vereinbar, der CSD „abstoßend“. Renner konterte, er fordere Toleranz. Qua seines Amtes sei er auch für Minderheiten zuständig. Und: „Zugesagte Termine hält man ein!“

Er verwies zudem auf Parteikollegen in anderen Bundesländern, die längst weniger Berührungsängste hätten. In Hamburg regiere der homosexuelle Erste Bürgermeister Ole von Beust. Selbst Heiner Geißler sei schon CSD-Schirmherr gewesen. Er selbst heiße nicht alles aus der Szene gut, störe sich am karnevalesken Charakter des Umzugs, aber auch Kinder in homosexuellen Partnerschaften brauchten Schutz und dürften nicht wegen der „Lebensform ihrer Erziehungsberechtigten“ stigmatisiert werden. Es sei übertrieben, sein Verhalten als kulturellen Wandel in der CDU zu interpretieren. Rückendeckung bekam Renner sowohl vom CDU-Landesvorstand als auch von Oettinger, der erstmals ein Grußwort verfasste, in dem er betonte, eine Demokratie sei „dann stark“, wenn sie niemanden ausgrenze.

Tatsächlich ist Renner, Weggefährte Oettingers, in der Union eher eine Ausnahmeerscheinung. Er hat dreimal geheiratet, trägt ein Rosen-Tattoo auf der linken Schulter und ist mit den Grünen Rezzo Schlauch und Dieter Salomon befreundet. Dass ihn die Opposition lobte, war Wasser auf die Mühlen derer, die seit dem Abgang von Erwin Teufel unentwegt nach Anzeichen einer schwarz-grünen Annäherung suchen.

Renner, ehrlich überrascht über den Wirbel, wird noch lange mit der Missbilligung der ländlich geprägten Südwest-Union leben müssen, während die Zustimmung zu einer moderneren CDU in den Städten in der Nach-Teufel-Ära wieder wachsen könnte. HEIDE PLATEN