portrait : Der Sänger als schöner Verlierer
Alte Helden. Als Bob Dylan 1975 in Toronto auftrat, rief er seinem Publikum zu: „This is for Leonard, if he’s still here. It’s called Isis. – Dies ist für Leonard, falls er immer noch da ist. Es nennt sich Isis.“ Dann sang Dylan den Song über einen Mann, der ein zweites Mal die gleiche Frau, Isis, heiraten wird. Er rennt weg. Er driftet. Er trifft jemanden, der ihn mitnimmt auf die Reise. Er träumt von Gold und dem weltgrößten Kettchen. Für sie. Doch tatsächlich ist die Schatztruhe leer. Dann kehrt der Mann zu seiner Frau zurück. Dylan singt: „Then I rode back to find Isis just to tell her I love her.“
Leonard Cohen, 70, dem Dylan damals seinen Song widmete, ist immer noch da, aber die Liebe ist inzwischen nicht mehr sein einziges Problem. Offenbar wurde er gerade ein Opfer seines langjährigen Finanzberaters, der ihm im Laufe der Zeit viel versprach (Gold etc.), doch tatsächlich war die Schatztruhe leer. „4,8 Millionen Dollar! Meine Altersversorgung!“, stöhnt der wichtigste Songwriter Kanadas in einem aktuellen Interview. Eigentlich habe er, der studierte formalistische Poet, der erst im Laufe der Zeit herausgefunden habe, dass man Poesie auch singen kann, sich zur Ruhe setzen wollen. Um dann keine Musik mehr machen zu müssen. Er, der mit zynischen Liebesliedern auf „Songs of Love and Hate“ (1970) Legionen von Liedermachern zu Stümpern degradierte. Er, der nach Thailand in ein Kloster ging, um zur Erleuchtung zu finden. Er, der zuletzt altersmüde CDs veröffentlichte, schließlich verstummte, um erst vor einigen Monaten mit dem Album „Dear Heather“ neu groß herauszukommen.
Es gibt ganz sicherlich in ganz Deutschland keinen einzigen Second-Hand-Plattenladen, bei dem man nicht eines seiner Alben kaufen könnte; in linksalternativen Kreisen waren sie flächendeckend verbreitet, zusammen mit dem Plattenspieler stieß man aber auch sie irgendwann ab. Die Rückseite seiner LP „Songs From A Room“ ziert der karge Innenraum seines Hauses auf einer griechischen Insel – in den Siebzigern haben sich hunderte von angehenden Künstlern auch so etwas zugelegt. Und jetzt geht Leonard Cohen also wieder ins Studio, um mit den erhofften Tantiemen sein Rentenloch zu füllen. Ein neues Album, das er mit seiner Freundin Anjani Thomas herausgibt, soll in Kürze im Handel erscheinen. „Wir haben uns in die Arbeit gestürzt“, erläuterte Cohen gegenüber der kanadischen Zeitung Macleans. Und er beweist gleich ungebrochen Marketingqualitäten: Das neue Album sei, meint er, „eines der besten, die ich je gehört habe“.
Wäre es nicht so bitter, könnte man Cohens Havarie mit dem Ernst des Lebens für einen PR-Blog halten. MAX DAX