portrait : Gelungene Resozialisierung
Wenn alles nach Plan läuft, führt die Union heute eine bemerkenswerte Resozialisierungsmaßnahme durch. Knapp ein Jahr nach seinem Rücktritt als CDU-Generalsekretär wegen umstrittener Einkünfte vom RWE-Stromkonzern soll Laurenz Meyer zum wirtschaftspolitischen Sprecher der Unionsfraktion ernannt werden.
Meyer sagte der taz gestern, er freue sich auf seinen neuen Job, weil er sich „schon immer für Wirtschaftspolitik stark gemacht“ habe und „einen Beitrag leisten“ wolle. Seine Wahl gilt als sicher. Der 57-Jährige sei als Wirtschaftsexperte „unbestritten kompetent“, hieß es aus der Fraktions-Pressestelle. Ein Schelm, wer das für Ironie hält. Schließlich führten gerade die engen Verbindungen Meyers zur Energiewirtschaft dazu, dass er Ende 2004 feststellen musste, „dass meine Arbeit zurzeit der Partei mehr schadet als nützt“. Meyer war für CDU-Chefin Angela Merkel untragbar geworden, nachdem er nur zögerlich eingeräumt hatte, dass er neben seinen Politikerdiäten Zahlungen seines früheren Arbeitgebers RWE bezog. Auf besondere Kritik stieß damals, dass Meyer im Rahmen eines Auflösungsvertrags 250.000 Mark bekam und auch behielt, obwohl er später wieder in das Unternehmen zurückgekehrt war. Um die Gemüter zu beruhigen, versprach Meyer, 80.000 Euro an die SOS-Kinderdörfer zu spenden – die nette Geste reichte zwar nicht, um als Generalsekretär im Amt zu bleiben. Nun aber steht seinem Comeback nichts mehr im Weg.
„Die SOS-Kinderdörfer haben das Geld gekriegt“, sagt Meyer (was von den Empfängern bestätigt wird) und überhaupt seien alle Vorwürfe gegen ihn längst „ausgeräumt“. Zum Beleg verweist er auf das Ergebnis von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dortmund. Diese hatte keinen Anhaltspunkt für Straftaten gesehen und Meyer sogar bescheinigt, dass die finanziellen Zuwendungen von RWE „nicht unangemessen“ gewesen seien.
Auch Kanzlerin Merkel ist offenkundig der Ansicht, dass ihr Exgeneral genug gebüßt hat. Sein neuer Posten gilt in der Fraktionsführung aber „eher als Trostpflaster“ – lieber wäre Meyer Staatssekretär geworden. So weit wollte Merkel die Resozialisierung denn doch nicht treiben. Der Sprecherposten muss als später Dank für Meyers Loyalität genügen: Als Generalsekretär unterstützte er Merkels Reformkurs, erklärte dem skeptischen Parteivolk die „Kopfpauschale“ und setzte sich für drastische Lockerungen beim Kündigungsschutz ein. Meyer – ein Anti-SPD-Hardliner. Nun profitiert auch er von der großen Koalition: Ohne den aktuellen Waffenstillstand der Volksparteien hätte seine Rehabilitation mit Sicherheit für Empörung bei der SPD gesorgt.
LUKAS WALLRAFF