portrait : Der Mann ohne Vornamen
Einen Vornamen hat er schon lange nicht mehr: „Ich heiße immer nur Bahnchef Mehdorn.“ Und als solcher steht der 63-jährige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG ständig in der Kritik. Die Kunden verübeln ihm steigende Bahnpreise, Bürgermeister die Streichung von traditionellen Bahnverbindungen und die Parlamentarier sein – gelinde gesagt – nicht immer diplomatisches Auftreten. Dabei verfolgt Hartmut Mehdorn mit aller Konsequenz das Ziel, das ihm die Politik vorgegeben hat: die Bahn profitabel machen und an die Börse bringen.
Dafür hat ihn der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder geholt. Und darauf steuert Mehdorn unbeirrt wie ein Hochgeschwindigkeitszug zu – stets unter Strom, stur auf seinem Gleis, egal wer links oder rechts davon sein Fähnchen schwenkt. Zu stoppen wäre er wohl nur mit Notbremse. Immer wieder wurde über seinen Rücktritt spekuliert, so beim Streit mit dem früheren Verkehrsminister Bodewig darüber, wer das Schienennetz kontrollieren soll. Den hat Mehdorn aber überlebt, und hartnäckig halten sich Gerüchte, dass er dafür gesorgt hat, dass Bodewig durch Manfred Stolpe ersetzt wurde. Auch das Hin und Her beim neuen Preissystem überstand er, ebenso wie so manch verbale Entgleisung.
Nun steht neuer Ärger ins Haus. Mehdorn will mit dem Konzern von Berlin nach Hamburg umziehen, weil er gerne den dortigen Hafenterminal-Betreiber HHLA und die Hamburger Hochbahn kaufen will. Obwohl das die Konzernbilanz verbessern würde, ist die Bundesregierung dagegen.
Seit gestern tagt nun der Aufsichtsrat der Bahn. Die Vertreter der Bundesregierung und der Arbeitnehmer wollen von Mehdorn einige Fragen beantwortet haben. Dass heute bereits eine Entscheidung fällt, ist nicht zu erwarten. Möglicherweise wird der Widerstand, den Mehdorn überwinden muss, aber so groß sein, dass er keine Lust mehr auf seinen Job hat.
Denn auch in der Vergangenheit klebte Mehdorn nicht an seinen Sesseln. Zum Beispiel als Chef der Deutschen Abteilung von Airbus. Eigentlich ein Traumjob für den Flugzeugfan und Ingenieur. Doch auf einen Vorgesetzten, der vom Fliegen keine Ahnung hat und der ihm von Daimler-Chef Jürgen Schrempp verordnet wurde, hatte er keine Lust und ging.
In Berlin gäbe es so einige, die sich über einen solchen Schritt Mehdorns bei der Bahn freuen würden. Aber das würde auch bedeuten, dass Mehdorn nicht irgendwann als Vorstandschef auf dem Börsenparkett den ersten Kurs der Bahnaktie lesen könnte. Anhalten, bevor das Ziel erreicht ist? Dafür ist Mehdorn wohl doch zu sehr Bahnchef. STEPHAN KOSCH