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Archiv-Artikel

portrait Klum-Sein contra Heroin-Chic

Wer Sauerkraut liebt, dem Rosenmontagszug in Köln einen Wagen spendiert und ganz nebenbei mit zwei Kindern den Dienst an der Demografie leistet, muss eine gute Menschin sein. Wer obendrein aus Deutschland kommt und dennoch unentwegt lächelt, sympathisch lächelt, muss eine Marketing-Erfindung der Deutschland AG sein. Oder Heidi Klum heißen.

Mit 18 Jahren, kurz vor ihrem Abitur, begann die Tochter einer Hausfrau und eines Parfüm- und Kosmetikfirmenangestellten in Bergisch-Gladbach ihre Arbeit am wundersamen Heidi-Ich. Beim Wettbewerb „Model 92“ setzte sie sich unter 25.000 Bewerberinnen als „Schönste der Schönen“ durch. Es folgten: Werbeaufträge für Kosmetik. Werbeaufträge für Telefone. Werbeaufträge für Brautkleider. Internationale Coverauftritte bei Hochglanzmagazinen. Und schließlich die Laufstegkarriere.

Dass diese Heidi Klum einen grandiosen Exportschlager abgeben würde, kündigte sich zum ersten Mal 1998 an, als sie Covergirl der Sports Illustrated wurde – als erstes deutsches Model. Seither ist sie die Projektionsfläche schlechthin, für deutsche Fröhlichkeit, deutsche Bodenständigkeit, deutsche Blondheit und – seit dieser Legislaturperiode auch für die neue deutsche Nüchternheit, die sich vor allem in Form von harter Arbeit und gnadenlosem Erfolgsgeist (Klum: „Du musst es wollen“) auszeichnet. Die Anleitung zum Klum-Sein hat die Wunderfrau passend dazu in diesem Jahr veröffentlicht: den Bestseller „Natürlich erfolgreich“. Ihr Motto: „Ich komme gern pünktlich zu einem Termin.“ Und: „Wenn ich sage, ich mache etwas, dann mache ich das auch!“

Was sich hinter dem derzeit allseits verordneten Rezept „Innovation“ verbirgt, lebte Klum ebenfalls schon 98 in David-Lettermans Late-Night-Show vor: Mit einem bergisch-gladbachschen Heidi-Jodeln überzeugte sie die US-amerikanische Gesellschaft vom neuen deutschen Frauenwunder. Seither markiert laut Modefachfeuilletonisten der Aufstieg der natürlichen Klum den Abschied vom Heroinchic einer Kate Moss. Bleibt ein Wunsch, den Heidi Klum Deutschland noch erfüllen muss: ihre Heimkehr aus den USA, wo sie – bis jetzt glücklich – mit Ehemann und Sänger Seal lebt. Momentan beehrt sie ihre Heimat nur mit Gastbesuchen, wie gestern Abend, als sie die WM-Auslosung komoderierte.

Immerhin finden sich hierzulande schon Spuren des neuen deutschen Klumgefühls. Keine Geringere als Angela Merkel hält sich an das Klum’sche Erfolgsmodell: Seit sie Kanzlerin ist, lächelt sie alle widrigen Umstände und Konkurrenten einfach weg. SUSANNE LANG