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Archiv-Artikel

portrait Der Spion, der nicht durchkam

Dass er erschossen wurde, ist keine große Überraschung: Denis Donaldson, bis vor kurzem hoher Sinn-Féin-Funktionär, der mehr als 20 Jahre für den britischen Geheimdienst spionierte, wurde vorgestern Abend in Glenties im Nordwesten Irlands tot aufgefunden. Man hatte dem 56-Jährigen in den Kopf geschossen und seine rechte Hand abgetrennt.

Donaldson wurde 1950 in Short Strand, der katholischen Enklave im protestantischen Ostbelfast, geboren. Als der nordirische Konflikt Ende der 60er erneut ausbrach, schloss er sich der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) an. Anfang der 70er wurde er wegen Mitgliedschaft verurteilt und verbüßte zwei Jahre im Gefangenenlager Long Kesh. Dort teilte er sich eine Zelle mit Gerry Adams, heute Präsident des politischen IRA-Flügels Sinn Féin (Wir selbst), und Bobby Sands, der 1981 im Hungerstreik starb.

Nach seiner Entlassung arbeitete Donaldson für Sinn Féin und stieg rasch in der Parteihierarchie auf. Er kandidierte, wenn auch erfolglos, bei den britischen Unterhauswahlen und gehörte zum engen Beraterkreis von Adams. Zuletzt war er Chef des Sinn-Féin-Büros in Schloss Stormont, dem Sitz der nordirischen Mehrparteienregierung. Die wurde 2002 suspendiert, weil die Polizei bei einer Razzia Dokumente mit Namen und Adressen von Polizisten, Gefängniswärtern und Politikern fand. Donaldson und zwei Mitarbeiter wurden verhaftet und gegen Kaution freigelassen, doch Anfang Dezember 2005 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein.

Den Grund dafür lieferte Donaldsons Enttarnung kurz vor Weihnachten, wegen der auch die Verlobung seiner Tochter platzte. Er ging über die Grenze in die Republik, ließ sich einen Bart wachsen und versteckte sich in einem verfallenen Haus. Vor zwei Wochen spürten ihn Reporter auf. Danach war es nur eine Frage der Zeit, bis ihn Leute mit weniger harmlosen Absichten finden würden.

Natürlich fiel der erste Verdacht auf die IRA. In einer Presseerklärung bestritt die aber sofort „jedwede Beteiligung“. Am meisten profitieren die extremen Protestanten von der Tat. Der britische Premier Tony Blair und sein irischer Amtskollege Bertie Ahern werden heute ihren Stufenplan vorstellen, wonach das nordirische Regionalparlament für drei Perioden von je sechs Wochen zusammentreten soll und sich bis Jahresende auf eine Mehrparteienregierung mit Sinn-Féin-Beteiligung einigen muss. Andernfalls wird das Regionalparlament wieder abgeschafft. Die Democratic Unionist Party des reaktionären Pfarrers Ian Paisley lehnt eine Regierung mit Sinn Féin strikt ab. Paisley wird den Mord an Donaldson als Rechtfertigung für sein Nein benutzen. RALF SOTSCHECK