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Archiv-Artikel

portrait Ein syrischer Dissident mit viel Humor

Wenn man mit Michel Kilo in seiner Damaszener Altbauwohnung über syrische Politik diskutiert, dann ist das eine unterhaltsame Angelegenheit. Er schüttelt sich vor Lachen, wenn er sich über das Regime lustig macht, das er seit Jahrzehnten bekämpft. Auch eine Zeit im Gefängnis und ein vorübergehendes Exil in Paris haben ihm seinen Humor nicht nehmen können.

Im Moment hat der 66-jährige Kilo, einer der bekanntesten Oppositionellen Syriens, allerdings wenig zu lachen. Am Sonntag wurde er von der Sicherheitspolizei einbestellt, seither ist er nicht mehr aufgetaucht. Eine offizielle Bestätigung seiner Inhaftierung gab es zunächst nicht.

Stein des Anstoßes für das Regime ist vermutlich eine Erklärung über die syrisch-libanesischen Beziehungen, die von 274 Intellektuellen aus beiden Ländern, darunter Kilo, unterzeichnet und Ende vergangener Woche von mehreren arabischen Zeitungen veröffentlicht wurde. Darin wird die Führung in Damaskus aufgefordert, die Souveränität des Nachbarlandes anzuerkennen. Außerdem verurteilen die Unterzeichner politische Morde, um abweichende Stimmen zum Schweigen zu bringen – eine Anspielung auf die Anschläge auf mehrere Syrien-kritische libanesische Politiker und Journalisten. Von den 138 Syrern, die ihren Namen unter die Erklärung gesetzt haben, wurde bislang allein Kilo festgenommen. Der syrische Menschenrechtsanwalt und Mitunterzeichner Anwar al-Bunni kommentierte dies so: „Sie nehmen einen fest, um die anderen einzuschüchtern.“

Im Gegensatz zu seinen jungen Jahren, in denen Kilo auf den Sturz des Regimes der Baath-Partei hinarbeitete, setzt er sich heute für politische Reformen ein – ohne die USA. Der linke Publizist, der 1940 in der Hafenstadt Lattakia geboren wurde und in Deutschland Publizistik, Geschichte und Volkswirtschaft studierte, ist bis heute ein scharfer Kritiker der Politik der USA in der Region.

Der bekennende Atheist Kilo stammt aus einer christlichen Familie, ist verheiratet und dreifacher Vater und Großvater. Er will auch die Islamisten in einen künftigen politischen Öffnungsprozess einbinden. „Es ist verrückt“, sagte er in diesem Zusammenhang bei einem Gespräch im Dezember 2004, „du darfst dich auf die Straße stellen und auf Gott schimpfen. Aber wehe, wenn du deinem Freund ein Wort gegen den Präsidenten zuflüsterst. Ich glaube, dass die Menschen Islamisten geworden sind, weil die säkulare Macht gleichzeitig gegen Gott ist und bestimmen möchte, wer die neuen Götter sein sollen. Ich ziehe es vor, einen religiösen Gott anzubeten anstatt einen Menschen wie mich.“ BEATE SEEL