portrait : Ein Politstar auf leisen Sohlen
Steinmeier spricht mit Libanons Regierungschef Siniora, mit Libanons Parlamentspräsident Berri, mit Israels Verteidigungsminister Peretz, mit Israels Außenministerin Liwni, mit Israels Ministerpräsident Olmert – der deutsche Außenminister absolviert bei seinem zweiten Nahostbesuch innerhalb von drei Wochen 48 Stunden lang Krisendiplomatie. Kenntnisreich, behutsam, leise.
Der Mann kann, wenn es nottut – und das tut es in seinen Augen fast immer –, gegenüber der Öffentlichkeit von eisenharter Verschwiegenheit sein. Frank-Walter Steinmeier ist ja nicht nur der erste Diplomat der Bundesrepublik – ein Amt, das die Fähigkeit zur Diskretion verlangt. Er war auch die meiste Zeit seiner beruflichen Karriere über ein politischer Beamter, zwölf Jahre lang zu Diensten seines Vorgesetzten Gerhard Schröder; da hat er öffentliche Zurückhaltung geradezu verinnerlicht.
Steinmeier aber kann, wenn er will – und er will immer öfter –, auch selbstbewusst ins Licht der Öffentlichkeit treten. Dann sagt er, wie am Dienstagabend vor der Kamera der „Tagesthemen“, kunstvoll gedrechselte, wohltemperierte Sätze aus der Welt der Staatsmänner und ihrer Unterhändler, die so klingen, als kämen die Mächtigen dieses Planeten bei dessen Rettung vor Terror, Krieg und Armut jeden Tag einen kleinen Schritt voran. Steinmeier sprach also, wie er da in Jerusalem stand, von einer „ganz entscheidenden Woche“, die einen „ersten Schritt zu einer Lösung“ im israelisch-libanesischen Konflikt bringen könne. Dabei schaute er ernst in die Kamera. Zu bestaunen waren vor allem seine weißen Haare – so ein Silberkopf gilt im Fernsehen bekanntlich ja schon als halbe Miete für politische Seriosität. Mit dieser Mischung aus Intelligenz, Integrität und scheinbarer persönlicher Zurückhaltung hat es Steinmeier in den zurückliegenden zwölf Monaten weit gebracht. Im September 2005 war er noch weitgehend unbekannt, nur die Insider im politischen Berlin wussten um die überragende Bedeutung von Schröders Schatten für die rot-grüne Regierung; als Chef des Kanzleramtes hatte Steinmeier den Laden sechs Jahre lang zusammengehalten. Seine Ernennung zum Außenminister war die Überraschung der großen Koalition. Heute ist Steinmeier in den Umfragen der beliebteste deutsche Politiker. Ein souveräner Außenamtschef. Ein Mann, der das internationale Geschäft blitzschnell gelernt hat und sogar im komplizierten Nahen Osten schon als Vermittler gefragt ist.
Nahostvermittler? So eine Rolle weist Steinmeier weit von sich. Er würde auch nie sagen, dass er nächster SPD-Kanzlerkandidat werden möchte. Er kommt lieber unspektakulär ans Ziel. JENS KÖNIG