portrait : Kongos Herr der Stimmzettel
Früher, als Universitätsrektor im Ostkongo, machte sich Apollinaire Malu-Malu Gedanken über ländliche Entwicklung und höhere Bildung in einer kriegszerstörten Region. Heute dirigiert der geweihte katholische „Abbé“ als Chef von Kongos „Unabhängiger Wahlkommission“ (CEI) eine Großbehörde in Kinshasa, und ganz Kongo wartet darauf, dass er endlich das Ergebnis der Wahlen vom 30. Juli und damit das Schicksal des Landes verkündet.
Bis Sonntag soll das der Fall sein, und bis gestern waren laut Malu-Malu 93 Prozent der Ergebnisse ausgewertet. Nur in der Hauptstadt Kinshasa sind einige verlorengegangen. Weil dort Staatschef Joseph Kabila unbeliebt ist, könnte Kinshasas Ergebnis den Präsidenten unter die 50 Prozent drücken, die er zum Sieg im ersten Wahlgang braucht. Verschwörungstheoretiker glauben, dass Malu-Malu per Auszählungschaos in Kinshasa Kabilas Sieg sichern will.
Den CEI-Präsidenten ficht das wenig an. Grinsend wie sonst auch immer äußert der kleine Malu-Malu bei jedem Gespräch Zuversicht, dass sich alles zum Guten wendet. So sprach er auch schon früher, als Rektor der „Katholischen Universität Graben“ in Butembo. Malu-Malu gilt als einer der klügsten Intellektuellen des Ostkongo und ist solide im Führungsestablishment des Nande-Volkes verankert.
Geboren 1962 in Muhangi in der Provinz Nord-Kivu, wurde Malu-Malu 1989 ordiniert und erhielt an der Kathedrale Butembo einen Vikarsposten. Kirche im Ostkongo bedeutet, staatliche Funktionen zu übernehmen, zum Beispiel die Leitung von Schulen und Krankenhäusern. Malu-Malu ging zum Politikstudium nach Frankreich, wo er über die Mobutu-Ideologie promovierte. Er diente als Gemeindepfarrer in Monestier-de-Clermont bei Grenoble, bevor er 1994 nach Butembo zurückkehrte. Dort wurde er Universitätsrektor und damit eine Führungsfigur der Zivilgesellschaft, die er bei Kongos Friedensverhandlungen, dem „innerkongolesischen Dialog“ in Südafrika, als Delegierter vertrat.
Im Friedensvertrag von 2002 wurden für Kongo freie Wahlen vereinbart, und die Leitung der Wahlkommission ging an die Zivilgesellschaft, die dafür Malu-Malu nominierte. Leicht war die Arbeit nicht, die der Abbé 2004 aufnahm. Es dauerte über ein Jahr, überhaupt ein Gebäude für die CEI zu finden. Sämtliche Schritte der Wahlvorbereitung erwiesen sich als viel komplexer als gedacht.
Kein Wunder, dass vieles schiefging und Malu-Malu sich dabei viele Feinde machte. Davon, was er bei der Bekanntgabe des Wahlergebnisses sagt, wird auch abhängen, mit was für einem Ruf er in Kongos Geschichtsbücher eingeht.DOMINIC JOHNSON