portrait : Der linke Unternehmensretter
Louis Gallois fährt Zug. Zehn Jahre lang haben sich die Franzosen daran gewöhnt, den großen, schlanken Mann mit dem kahl rasierten Kopf entweder im Inneren von Abteilen oder auf Bahnsteigen zu sehen. Er weihte neue Hochgeschwindigkeitsstrecken ein. Er entschuldigte sich bei der Öffentlichkeit für Behinderungen durch Streiks oder technische Pannen. Er führte ein neues Tarifsystem ein, das Bahnfahrten zu einem Luxus machte. Und er lagerte die hohen Schulden des Unternehmens kurzerhand in eine neue Struktur aus – was die SNCF erstmals in den Bereich der schwarzen Zahlen brachte.
Jede einzelne dieser Missionen bot jede Menge Konfliktstoff – zumal in dem sozial und politisch hochsensiblen öffentlichen Unternehmen SNCF mit seinen 170.000 meist gewerkschaftlich organisierten EisenbahnerInnen. Dennoch blieb Gallois zehn Jahre – länger als jeder seiner Vorgänger – an der Spitze. Am Ende, als er im Juli von der Schiene in die Luft aufstieg und an die deutsch-französisch besetzte zweiköpfige Spitze des europäischen Luftfahrtkonzerns EADS wechselte, überhäuften ihn alle mit Lob. Sogar der Chef der größten Gewerkschaft der Eisenbahner, die immer wieder gegen seine Pläne gestreikt hatte. „Gallois ist ein großer Staatsdiener“, erklärte Didier Le Reste von der CGT, „selbstlos, integer, sehr rigoros, mit Überzeugungen und ein zuverlässiger Mann für die jeweilige Regierungspolitik.“
Seit Montag ist Gallois zusätzlich zu seiner Rolle an der Spitze von EADS auch der Präsident von Airbus. Er soll das Unternehmen durch die schwerste Umstrukturierung seiner Geschichte führen. Wieder ist der heute 62-jährige Gallois, der Linke, der in den 80er-Jahren lange der Kabinettschef des euroskeptischen Linkssozialisten Chevènement war, von einer rechten Regierung befördert worden. Nur ein halbes Jahr vor den nächsten Präsidentschaftswahlen soll er das heikle Dossier managen. Denn er wird in Frankreich als einer der ganz wenigen Leute gehandelt, die es schaffen, Unternehmen zu „retten“. Das hat er zuerst bei dem Luftfahrtunternehmen Aérospatiale gezeigt. Dann bei der SNCF. Jetzt also Airbus.
Nach Streiff, dem Elsässer, der nur 100 Tage an der Spitze der Airbus blieb, ist jetzt Gallois, ein Mann aus dem Südwesten, dran. Er ist in Montauban, einem Nachbarort von Toulouse, als jüngstes von neun Geschwistern zur Welt gekommen. Ging später bei den Jesuiten zur Schule, besuchte dann – zusammen mit zahlreichen späteren MinisterInnen – die Eliteschmiede ENA. Ist ein Rugbyfan, wie es sich für die Region gehört. Und fährt auch weiterhin Bahn – am liebsten in der engen zweiten Klasse.
DOROTHEA HAHN
wirtschaft und umwelt SEITE 8