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Archiv-Artikel

portrait Stumpfes Schwert des Marxismus

„Das Blut hält die Revolution nicht auf“, schrieb Abimael Guzmán in den Achtzigerjahren, „das Blut gießt sie“. Da war in Peru der „Volkskrieg“ seiner maoistischen Guerillagruppe Sendero Luminoso („Leuchtender Pfad“) schon in vollem Gange. Eine Million Tote, ja ein „Völkermord“ könnten für die Revolution nötig sein, fantasierte Guzmán, der sich von seinen Anhängern als „viertes Schwert des Marxismus“ nach Marx, Lenin und Mao feiern ließ. Nach dem Urteil, das ein Gericht in Callao am Freitag fällte, steht fest: Der mittlerweile 71-jährige Oberguerillero wird ebenso wie seine Lebensgefährtin Elena Iparraguirre den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen.

Vor dem Gerichtssaal hielt eine kleine Gruppe von Demonstranten stumm Transparente in die Kameras – Überlebende aus Lucanamarca, einem Bauerndorf in der Andenprovinz Ayacucho. Dort richteten Guzmáns Revolutionssoldaten 1983 eines ihrer schlimmsten Massaker an. 69 Menschen, darunter 16 Kinder, metzelten sie nieder. Fünf Jahre später räumte der Sendero-Chef in seinem „Jahrhundertinterview“ ein, dass das Zentralkomitee des Leuchtenden Pfades die Aktion als „Denkzettel“ geplant hatte – zuvor hatten Dorfbewohner einen Rebellen gelyncht.

In den Sechzigerjahren hatte der Philosophieprofessor an der Universität Ayachuco die maoistische Gruppe gegründet, die 1980 den bewaffneten Kampf aufnahm. Nach dem Bericht der peruanischen Wahrheitskommission von 2003 ist der Leuchtende Pfad direkt für 54 Prozent der rund 70.000 Toten verantwortlich, die der Konflikt in den folgenden 20 Jahren forderte. Guerilleros und Militärs bekämpften einander mit äußerster Brutalität. Zu den meisten Opfern kam es allerdings unter der indigenen Landbevölkerung. Und statt der Revolution erreichte Guzmán die Zerstörung der peruanischen Linken: Zehn Jahre lang hielt sich der Autokrat Alberto Fujimori an der Macht, neoliberal ist die Regierungspolitik bis heute. Die Mörder, Folterer und Vergewaltiger in Uniform gingen bislang straffrei aus.

Guzmáns Festnahme im September 1992 wurde zu Fujimoris größtem Triumph. Den entzauberten Staatsfeind ließ der Präsident in einem Käfig vorführen und wegen „Vaterlandsverrates“ zu lebenslanger Haft verurteilen. 2003 wurde dieses Urteil als verfassungswidrig kassiert. Der jetzige Prozess sei rechtsstatlich gewesen, sagen Menschenrechtler. Auch über den Menschen Guzmán brachte er Neues zutage: Sein früherer, nun ebenfalls verurteilter Genosse Oscar Ramírez bezeichnete den Revolutionsguru als Alkoholiker, Jammerlappen und Feigling, der nicht in der Lage gewesen sei, selbst einen Schuss abzufeuern.

GERHARD DILGER