portrait : Marathonläuferin fürs Krisenressort
Wer will in Bremen, wo tote Kinder im Kühlschrank liegen und die städtischen Kliniken von einem vorbestraften Geschäftsführer ausgeplündert werden, Sozial- und Gesundheitssenatorin sein? Ingelore Rosenkötter. Nur eine Nacht musste die 53-jährige Nochnichtpolitikerin überlegen, dann akzeptierte sie das Angebot von Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD). Ihre Vorgängerin Karin Röpke hatte erklärt, „nicht mehr die Kraft“ zur Aufarbeitung im „Fall Kevin“ zu haben, dessen gewaltsamer Tod trotz staatlicher Obhut nicht verhindert werden konnte.
Rosenkötter ist Marathonläuferin. Interesse an der Politik hat sie – öffentlich – erstmals vor wenigen Wochen bekundet, als sie sich auf die SPD-Liste für die nächste Bürgerschaftswahl setzen ließ. Dass sie nun die Legislative elegant überspringt, um gleich auf der Regierungsbank Platz zu nehmen, überrascht bei näherem Hinsehen nicht: Seit acht Jahren ist die kinderlose, gelernte Bankkauffrau Präsidentin der 160.000 Mitglieder des Landessportbunds – „Bremens größter Bürgerbewegung“, wie sie gern sagt.
Eine derartige Hausmacht prädestiniert für alle möglichen Ämter, zudem ist Rosenkötter Landesgeschäftsführerin des DRK. Bevor Willi „Werder“ Lemke und der jetzige Amtsinhaber Böhrnsen das Bürgermeisterrennen unter sich ausmachten, war Rosenkötter intern bereits als Nachfolgerin für Ex-Landesvater Henning Scherf im Gespräch.
Rosenkötter kann Großverbände organisieren, saß bereits der Landes-AG Freie Wohlfahrtspflege vor, hat eine Schiedsrichterlizenz und sich bei der Leitung eines Übersiedlerheims bewährt. Das Nationale Olympische Komitee wird auch kein kuscheliges Pflaster sein: Hinter dessen Kulissen war Rosenkötter maßgeblich an der heiß umstrittenen Fusion von NOK und Deutschem Sportbund beteiligt.
Wer sich in der Welt der Sportfunktionäre behauptet, schafft das voraussichtlich auch als traditionell einzige Frau im Bremer Senat. Mehr noch: Wenn es Rosenkötter gelingt, ihr künftiges Mammutressort einigermaßen überzeugend aus den derzeitigen Elementarkrisen herauszuführen, ist sie die gesetzte Kandidatin für den Job der ersten Bremer Regierungschefin.
Schon als Sportpräsidentin war Rosenkötter die erste Frau in der Verbandsgeschichte. Sie gilt als äußerst aktive Amtsinhaberin: Unter ihrer Ägide wurde eine eigene Abteilung „Integration im Sport“ eingerichtet, gerade hat der Verband das Management sämtlicher Bremer (Schul-)Turnhallen übernommen. Wer sich sogar in der Welt der Hausmeister durchsetzt, muss sich vor nichts mehr fürchten. HENNING BLEYL