portrait : Existenzvernichter in Nadelstreifen
Was er bis zu seinem Tod machen wird, weiß Jeffrey Keith Skilling schon ganz genau. „Ich werde den Rest meines Lebens gegen dieses Urteil ankämpfen“, sagt der 53-jährige Exchef des US-Energiehändlers Enron. Und er weiß auch, wo er das aller Voraussicht nach tun wird: in einer Gefängniszelle im US-Staat Texas. Gestern verurteilte ihn Richter Sim Lake in Houston zu 24 Jahren und 4 Monaten Haft. Ein Geschworenengericht hatte Skilling schon im Mai der Verschwörung, des Betrugs und des Insiderhandels für schuldig befunden. „Seine Verbrechen haben Hunderte, wenn nicht Tausende zu einer lebenslangen Strafe der Armut verurteilt“, begründete Lake das Strafmaß. Skilling kündigte Berufung an.
Bis zum Schluss hatte er jede Schuld geleugnet. Die Enron-Pleite, bei der mehr als 4.000 Beschäftige ihre Jobs und Pensionsgelder und die Wall-Street-Unternehmen Vermögenswerte in zigfacher Milliardenhöhe verloren, schob er auf „betrügerische Aktivitäten einiger Mitarbeiter“. Tatsächlich war er als Firmenchef schon zurückgetreten, als die Bilanzfälschungen ruchbar wurden – nachdem er in drei Jahren 152 Millionen US-Dollar verdient hatte.
Geboren und aufgewachsen ist Skilling im Mittleren Westen der USA, in Pittsburgh, Pennsylvania. Er absolvierte die Harvard Business School unter den fünf Prozent Besten. Anschließend ging er zu McKinsey, wo er als Unternehmensberater Kontakte zu Enron knüpfte. 1990 stieg er dort ein und binnen fünf Jahren in die Führungsspitze auf. Oberster Chef wurde er im Februar 2001 – für ganze sechs Monate.
In seinen elf Jahren Unternehmenszugehörigkeit machte sich Skilling massenhaft Feinde. Kritische Analysten beschimpfte er schon mal als „Arschlöcher“. Dem Unternehmen stülpte er eine neue Kultur über, die er „Enronizing“ nannte: Wer die Firma nicht ganz nach oben auf seine Prioritätenliste setzte, musste gehen, kontrolliert wurde das Ganze von ehemaligen CIA- und FBI-Leuten. Wer dem Chef gefiel, wurde auf Motorradtouren nach Mexiko oder Trips nach Australien eingeladen. Auch eine „Versexung“ des Betriebsklimas soll es gegeben haben. Vielversprechende Managerinnen wurden ausgebootet, Skilling selbst verließ seine erste Frau und seine drei Kinder für eine Vorstandssekretärin, der er einen 600.000-Dollar-Job verschaffte. Andere Topmanager machten es ihm nach.
Den Absturz verkraftete Skilling offenbar nur schwer. Mehrfach randalierte er betrunken in der Öffentlichkeit. Vor zwei Jahren verbrachte er deshalb einige Tage im Gefängnis. Richter Lake berücksichtigte das: Wenn Skilling eine Therapie macht, kann er ein Jahr Haftverschonung erhalten. BEATE WILLMS