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Archiv-Artikel

portrait Notenbankier ohne Ahnung vom Geld

Pausbäckig und mit stolz geschwellter Brust steht Sławomir Skrzypek vor der Eingangstür. Fototermin. Er dreht und wendet sich, lacht. Der 42-jährige Ökonom hat es geschafft: Er ist neuer Chef der Nationalbank. Sechs Jahre lang wird er die Geldpolitik Polens bestimmen. Tags zuvor hatte bereits Leszek Balcerowicz, der „Vater des polnischen Wirtschaftswunders“, den Chefsessel geräumt und seinem Nachfolger die goldene Regel ans Herz gelegt: „Die Nationalbank ist politisch unabhängig. Ihr vorrangiges Ziel ist die Geldwertstabilität des Złoty.“

Im Finanzausschuss des Parlaments nämlich hatte der in geldpolitischen Fragen unbedarfte Skrzypek keine gute Figur gemacht. So versicherte er den Abgeordneten, dass er eng mit Wim Duisenberg, dem Chef der Europäischen Zentralbank, zusammenarbeiten wolle, nicht wissend, dass der Niederländer bereits vor zwei Jahren gestorben ist und seit 2003 der Franzose Jean-Claude Trichet an der Spitze der EZB steht. Skrzypek verwechselte Prozentpunkte und Basispunkte und konnte sich weder zur Zinspolitik der Nationalbank noch zum Beitritt Polens zur Währungsunion konkret äußern.

Zum Banker war der treue Gefolgsmann von Präsident Łech Kaczyński eher zufällig aufgestiegen. Nach dem Wahlsieg der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte die neue Regierung Skrzypek als Aufpasser in den Vorstand des größten staatlichen Kreditgebers, der PKO BP, delegiert. Dort machte er dem noch von der linken Vorgängerregierung eingesetzten Chef Andrzej Podsiadlo das Leben schwer und sorgte dafür, dass der erfahrene Banker, der kurz zuvor das Geldinstitut mit Erfolg an die Börse gebracht hatte, seinen Rücktritt einreichte. Im Aufsichtsrat der Bank sitzen nun nur noch Gefolgsleute der PiS.

Zuvor hatte Skrzypek an der Seite von Lech Kaczyński, damals noch Oberbürgermeisters, die Investitionspolitik Warschaus verantwortet und eines der schlechtesten Ergebnisse seit Jahren eingefahren. Er sei entscheidungsunfähig, warfen ihm damals Kritiker vor, und: „Skrzypek hat zu viel Angst vor Fehlern.“

Dass Polens Notenbank nun vom rechten Weg abkommen könne, befürchten nicht nur viele Chefs von Privatbanken. Im Parlament liegt bereits ein Gesetz, das die Unabhängigkeit der Notenbank beschränken und ihr eine notenbankenfremde Aufgabe aufhalsen will: Sie soll künftig nicht nur Hüter der Geldwertstabilität sein, sondern auch das Wirtschaftswachstums fördern. Lorenzo Bini Smaghi von der EZB übte bereits scharfe Kritik. Da Skrzypek dazu bisher schweigt, sinken seit Tagen Złoty- und Börsenkurse. Die Angst vor Inflation geht um. GABRIELE LESSER