portrait : Der hessische Kabinettsquerschläger
Meistens sind es Erfolgsgeschichten, die so beginnen: Gestern ein Niemand, heute auf allen Kanälen. Doch Franz Josef Jung ist nicht Madonna, und man kann auch nicht sagen, dass er einen Hit nach dem anderen landet. Im Gegenteil: Kaum schaffte der Verteidigungsminister den Aufstieg vom unbekanntesten Politiker des Kabinetts zum meistgefragten Interviewpartner, werden Stimmen laut, die fragen: Ist er überhaupt haltbar?
Der Hesse Franz Josef Jung, der erst vor einem Jahr das Berliner Parkett betreten hat, gilt bei seinen Kollegen als leutselig – und unberechenbar. Er hat noch nicht gelernt, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Bis vor kurzem war das nicht so dramatisch. Seit Mittwoch letzter Woche die „Skandalfotos“ in der Bild-Zeitung aufgetaucht sind, hat sich das geändert: Jeder Satz des CDU-Mannes findet sofort seinen Weg in die Nachrichtenticker, wird von Journalisten kommentiert und von der Opposition zerpflückt.
Rückzug der deutschen Soldaten aus Bosnien? Eigentlich nicht neu – schon im Sommer hatte Jung davon gesprochen, damals hörte niemand richtig hin. Jetzt werden seine Sätze als Eingeständnis interpretiert, die Bundeswehr sei mit ihren Einsätzen überlastet. Was leider im Widerspruch steht zu dem, was Jung selbst im „Weißbuch Sicherheitspolitik“ hat schreiben lassen: dass die Bundeswehr noch stärker zur „Einsatzarmee“ im Ausland wird.
Bundeskanzlerin Angela Merkel soll sich über Jung geärgert haben. Ihr Sprecher versichert, der Verteidigungsminister mache seinen Job gut. Dies gelte etwa „für den Umgang mit der Affäre um deutsche Soldaten, die in Afghanistan mit Skelettteilen posierten“, und „mit den Vorwürfen des ehemaligen Guantánamo-Häftlings Kurnaz gegen die Elitetruppe KSK“. Soll wohl heißen: Ich stehe zu dir, aber die Bosnien-Geschichte hast du verbockt.
Schon im August war die Kanzlerin verstimmt: Da hatte Jung vom „Kampfeinsatz“ im Libanon gesprochen. Merkel korrigierte: „Robustes Mandat“ sei die richtige Wortwahl.
„Rückzug aus Berlin statt aus Bosnien“, höhnt man schon bei den Grünen, und in der FDP wird auf Jungs Abgang noch vor Weihnachten gewettet. Doch die Häme kommt zu früh. Merkel hat drei Gründe, „Minister Tapsy“, wie die Berliner Zeitung spottet, nicht auszutauschen: Erstens ist der Winzersohn und Jurist nur deshalb Verteidigungsminister geworden, weil sonst Landeschef Roland Koch die Kanzlerin unter Dauerbeschuss genommen hätte. Zweitens kann Merkel, die zurzeit auch nicht gerade gut dasteht, kein Personalgerangel brauchen. Und drittens fehlt schlicht die Alternative.
KATHARINA KOUFEN
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