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Archiv-Artikel

portrait Die Historikerin, die Geschichte schreibt

Es ist eine Männerwelt, Süße“, – diesen Satz hatte ihr die Mutter immer wieder eingetrichtert. Doch Drew Gilpin Faust wollte nicht hören. Zum Glück. Am Sonntag wurde sie als erste Frau zur Präsidentin der US-Eliteuniversität Harvard gewählt. Damit wird die mit 371 Jahren älteste höhere Lehranstalt in den Vereinigten Staaten erstmals von einer Historikerin und Expertin für den US-Bürgerkrieg geleitet.

Die 59-jährige Faust folgt dem Wirtschaftsexperten Lawrence Summers. Der Ex-US-Finanzminister musste voriges Jahr auf Druck zahlreicher Fakultätsmitglieder zurücktreten, weil er sich frauenfeindliche Äußerungen erlaubte. In einem Vortrag fragte er ernsthaft, ob Frauen genetisch bedingt Nachteile für die Naturwissenschaften mit sich bringen. Summers bekam es daraufhin knüppeldick aus der Akademikerwelt und von aufgebrachten Frauenorganisationen.

Ob diese Aufregung die Wahl einer Frau beförderte, ist ungewiss, denn Faust war eine Überraschungskandidatin. Sie hat keine Erfahrung mit dem Leiten einer Uni und im Gegensatz zu ihren Vorgängern nie in Harvard studiert. Sie gilt als zurückhaltende, klassische Akademikerin und als Koryphäe auf ihrem Gebiet. Andere Eliteunis entschieden sich zuletzt für Präsidenten mit Managementerfahrung.

Doch zimperlich ist Faust keineswegs. In Harvard hatte sie sich schnell den Spitznamen „Drew Kettensäge“ erworben, nachdem sie 2001 zur Dekanin des Radcliffe Institutes ernannt worden war. In kürzester Zeit strukturierte sie Radcliffe um und entließ ein Viertel des Personals. Dabei verwandelte sie das Institut im Handumdrehen in ein international anerkanntes Zentrum interdisziplinärer Forschung.

25.000 Angestellte, rund 20.000 Studierende und ein Budget von drei Milliarden Dollar (rund 2,3 Milliarden Euro), das sind die Eckdaten von Harvard, einer der reichsten Unis der Welt. Fausts wichtigste Aufgabe wird es sein, die lange diskutierten Lehrplanumgestaltungen, die größten seit 30 Jahren, durchzusetzen. Zudem will die Universität mehrere Milliarden Dollar in den Ausbau der naturwissenschaftlichen Fakultäten investieren.

Drew Gilpin, im konservativen Süden der USA, genauer im US-Bundesstaat Virginia, als Tochter eines Vollblutpferde-Züchters aufgewachsen, behielt den Namen ihres ersten Ehemanns, Stephen Faust. Verheiratet ist sie jedoch seit 27 Jahren mit Charles Rosenberg, dem US-Experten für amerikanische Medizingeschichte. Ihre Tochter studierte in Harvard. Mit Drew Gilpin Faust werden künftig dann bereits vier der acht amerikanischen „Ivy League Unis“ von Frauen geleitet.

ADRIENNE WOLTERSDORF