„passagen“ : Barocke Lust in der alten Bahndirektion am Rhein
Seien wir ehrlich: Viel Barock hat Köln nicht zu bieten. Ist das der Grund, weshalb die Betreiber von „Stylepark“, der Internet-Plattform für Design, uns diesen Stil wenigstens während der diesjährigen „Passagen“ etwas näher bringen wollen? Die Innenarchitekten und Künstler, die unter dem Motto „Barock 2004“ in der ehemaligen Bahndirektion am Konrad-Adenauer-Ufer, direkt gegenüber dem blauen Plastik-Musicaldome, ausstellen, haben dem allmächtigen Minimalismus jedenfalls abgeschworen: Hier haben Farbenpracht und Formenluxus, Sinnenfreude und jede Menge Fantasie ihr Regiment angetreten.
Wie barocke Lebenslust und strenge skandinavische Gestaltungstradition überraschend zusammenpassen, zeigen die Textildesigner von „nya nordiska“: Die Muster ihrer Stoffentwürfe bleiben zurückhaltend, dafür spielen sie mit barocken Farben und Materialien: changierende Seide in Rosa und Gold, reiche Perlenstickerei auf zarten Pastelltönen, selbst die Rüsche feiert ein Comeback.
Farbliche Fülle und aufwändige Formen gibt‘s auch beim italienischen Hersteller „agape“: Benedini Associati präsentieren fliederfarbene Waschbecken aus federleichtem Kunststoff, bei Giulio Gianfranco sind die Duschköpfe aus buntem Weichplastik und so groß wie Vorspeisenteller.
Tela-Design aus Berlin setzt auf ungewöhnliche Wanddekorationen: Großformatige Nahaufnahmen von Blättern und Orchideenblüten werden mittels modernster Technik auf Leinen gedruckt und auf Keilrahmen gespannt. Mehrere Telas zusammen ergeben ein Blütenmeer fürs Wohnzimmer.
Auch an den Flurwänden des ausgedienten Verwaltungsgebäudes, das auch schon Drehort für die RTL-Soap „Fame“ war und den ZDF-Krimi „Soko Köln“, hängen große Fotos: „Vive la bourgeoisie“ heißt die Ausstellung von Thái-Công Quách, entwickelt zusammen mit der Zeitschrift Architektur & Wohnen. Die filmreifen Bilder feiern eine Dekadenz à la Hollywood: Bewusst geschönte Menschen posieren in technicolorfarbenen Kleidern, das mit Bedacht arrangierte Mobiliar ergibt herrliche Kulissen, und das Rot der Rosen ist nicht von dieser Welt.
„Leuchtende Zeiten“ beim jungen Designerlabel xxd: Das Publikum soll Licht tanken – mit Leuchtkuben, auf denen man auch sitzen kann, und mit Regalen, die zugleich den Raum erleuchten. Während der „Passagen“ füllen kleinere xxd-Produkte die setzkastenartigen Regalmodule, darunter Mehrzweckschalen und verzierte Kühlbeutel für umgeknickte Füße.
Das absolute Highlight der Stylepark-Show hat ebenfalls mit Licht zu tun: Die Firma „Swarovski“, Hohepriesterin des geschliffenen Glases, stellt ihr Projekt „Crystal Palace“ vor: Verschiedene Designer erfinden den alten Kronleuchter neu. Angesichts der Ergebnisse geraten die Besucherinnen und Besucher in stumme Verzückung: Ob Georg Baldeles rechteckige „Glitterbox“, Tord Boontjes glitzernder Blütenzweig, der von oben beleuchtete Kristallvorhang „Pirouette“ von Marcel Wanders oder Tom Dixons „Ball“, eine Kugel aus hunderten einzeln aufgehängter Prismen – das alles ist so schön und so üppig barock, da fehlen schlicht die Worte.
HOLGER MÖHLMANN