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Archiv-Artikel

passagen Quadratisch, praktisch, belgisch

In Belgien liegt man gut. Am besten an der Nordsee, am Strand, und dann auf einer Sonnenliege der Firma Royal Botania. So heißt im Nachbarland eines der wichtigsten Labels in Sachen innovatives Outdoordesign. Aus blitzendem Edelstahl, hellem Edelholz und einer engmaschigen Kunststoffbespannung, die auch der stärkste Sumoringer nicht erschüttern könnte, bestehen die Botania-Gartenstühle und -Deckchairs, zur Zeit zu sehen im Belgischen Haus und im Kunsthaus Lempertz.

„With Love from Belgium“ lautet der Titel einer Doppelausstellung, in der achtzehn Designlabels aus dem Nachbarland anlässlich der Kölner „Passagen“ ihr Angebot präsentieren. Der eigentliche Showroom ist bei Lempertz, während nebenan im Belgischen Haus, gerade um die Ecke, Architekt Bart Lens ausgewählte Exponate zu einer Rauminstallation arrangiert hat.

Glaubt man der Ausstellung, so richtet sich belgisches Design nach den Vorgaben von Ritter Sport – quadratisch, praktisch, gut. Klare Linien, robustes Material und maximale Funktionalität beherrschen die Möbelszene zwischen Eupen und Ostende. Phantasielos muss das nicht sein, aber es ist schon alles sehr rechteckig: Beim Lütticher Label Pinky Pintus ersetzen seitlich ausschwenkbare, an einer Stahlsäule montierte Holzkisten sperrige Schränke. Und auch die Firma karot aus Lier setzt bei ihren Entwürfen fürs Kinderzimmer trotz aller Buntheit auf Kombimöbel und Kommoden mit dem nüchternen Charme von Aktenfächern.

Doch Belgien macht auch Träume wahr. So zumindest lautet die Philosophie von Materialise aus Löwen, einem Label, das mit Hilfe computergestützter Aushärtungsverfahren jeden noch so schrillen Kundenwunsch hinsichtlich exklusiver Lampen materialisiert.

Tatsächlich stehen die farbenfrohen, rot und orange leuchtenden, lilien- und lotusförmigen Lampenschirme der Hausdesigner Janne Kyttanen und Jiri Evenhuis in wohltuendem Kontrast zu all den gnadenlos vernünftigen Möbeln rundherum. Diese Lichtquellen sind echte Hingucker.

Im Belgischen Haus findet das Design im Konzertsaal im ersten Stock statt. Wer schon mal hier war, weiß, dass man es mit einem Kulturambiente aus den fetten Aufstiegsjahren dieser Republik zu tun hat: düsterhölzern, glanzvertäfelt. In diesem speziellen Fall kommen noch die für Belgien typischen Stilbrüche hinzu. Hier treffen putzige flämische Butzenfenster auf französische Rokokoschnörkellämpchen, hier vereinigen sich Brügge und Paris.

Klassische Musik beherrscht den Konzertsaal, und auf den ersten Blick fällt die Inszenierung von Bart Lens gar nicht auf. Doch dann bemerken verwirrte BesucherInnen zwischen dem feierlichen Volkshochschulgestühl das Mobiliar aus dem Showroom: Auf der Bühne eine Sonnenliege gleich neben dem Steinwayflügel, im Raum verteilt rechtwinklige Gartenmöbel, ein eckiger Kinderstuhl, grell pink wie ein Knallbonbon, und als Highlight die „Chatbox“ von Baccarne: ein Sitzquadrat aus Recycling-Plastik, stilistisch sehr nah an einer Bushaltestellenbank.

Warum machen belgische MöbeldesignerInnen hier nicht mal eine Pause und denken über etwas mehr Humor in ihren kantigen Kreationen nach? Ihre KollegInnen aus der Modebranche machen es ihnen vor.

Holger Möhlmann

„With Love from Belgium“: kunsthaus Lempertz, Neumarkt 3, Belgisches Haus, Cäcilienstr. 46, jeweils bis 23.1., täglich 14-21 Uhr