partys und polizei : Gute Nacht, Berlin
Berlin gilt als offene, tolerante und vor allem lebendige Stadt. Junge Menschen aus aller Welt zieht es hierher, weil es in Berlin eine kreative, bunte Szene gibt – die manchmal durchaus laut wird. Diesem jungen Berlin geht es aber – immer öfter – gehörig an den Kragen.
Kommentar von Gereon Asmuth
Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die rabiate Räumung eines friedlichen Hoffestes in der Kastanienallee 77 ist bei weitem kein Einzelfall. Seit zwei Jahren stürmen Polizeihundertschaften regelmäßig lautere Events – und das betrifft keineswegs nur die ehemals besetzten, längst legalisierten Häuser in Mitte, Friedrichshain und Prenzlauer Berg. Auch den immer noch die Partykultur der Stadt prägenden, halb legalen Clubs wird zunehmend von der Polizei der Saft abgedreht. Selbst private Geburtstagsfeiern in Wohngemeinschaften oder Fabriketagen wurden schon von ungebetenen Besuchern in Kampfmontur plus Schlagstöcken überrascht. Die autonom organisierte Kultur von unten passt offenbar nicht mehr ins Bild einer aufgeräumten Hauptstadt.
Anfang der 90er-Jahre, als es noch existenzielle Konflikte zwischen Hausbesetzern und der Polizei gab, setzten sich alle Beteiligten regelmäßig an runden Tischen zusammen, um die Probleme einvernehmlich zu lösen. Diese Art von Konfliktmanagement aber scheint bei der heutigen Polizeiführung vollkommen vergessen. Sie kennt nur noch eine Sichtweise: Friedlich Feierende sind schwerkriminelle Ansammlungen. Nun darf man das nächtliche Schlafbedürfnis der Berliner keineswegs ignorieren. Doch gerade in den Szenevierteln einer modernen Großstadt kann und darf dies nicht das einzige Gebot sein. Denn wenn sich das durchsetzt wie in jeder verschlafenen Kleinstadt, dann gute Nacht, Berlin. Ruhe sanft.