paris/berlin : Ein Lob auf unsere Stadt
Nein, Krawalle wie in Paris sind in Berlin nicht denkbar. Sagen die meisten Experten. Und sie haben Recht. Zumindest teilweise. Womit sie nämlich nicht Recht haben, ist der Hinweis auf die bessere Integration in Deutschland und Berlin.
KOMMENTAR VON UWE RADA
Dass es in Berlin bislang noch nicht zu Krawallen wie in Frankreich gekommen ist, liegt nämlich weniger an besseren Bildungschancen oder weniger Arbeitslosigkeit, sondern allein an der sozialen Mischung der meisten Berliner Quartiere. Die Banlieue mit einer Einwandererquote von 100 Prozent gibt es bei uns genauso wenig wie eine „reiche“ Innenstadt, in der nur noch Angestellte und gehobener Mittelstand leben.
Zum Glück. Denn das Zusammenleben verschiedener Milieus und Ethnien ist auch ein Zusammenkommen verschiedener Lebensentwürfe. Kreuzberg zum Beispiel zeigt mit seiner türkischen Mittelschicht, dass es eine Alternative gibt zur Flucht in die Parallelgesellschaft. Das Gleiche gilt für die russischsprachige Community in den Ostberliner Großsiedlungen. Wo Vielfalt herrscht, gibt es auch Hoffnung.
Doch diese Vielfalt ist ein ungeliebtes Erbe. Zu Mauerzeiten entstanden, wurde die soziale Mischung in den Berliner Quartieren auf eine harte Probe gestellt. Wegzüge an den Stadtrand und Aufwertungen von Quartieren zu Schickimicki-Vierteln haben auch in Neukölln, Wedding und Marzahn zu einer Abwärtsspirale geführt – auch wenn der Anteil von Familien mit Migrationshintergrund nicht so hoch ist wie in der französischen Banlieue.
Vor allem aber hat die Entwicklung der letzten Jahre gezeigt: Die soziale Mischung ist kein Leitbild mehr für das Alltagsverhalten der Menschen. Das ist vielmehr vom Wunsch geprägt, sich abzugrenzen. Dass es hier noch nicht geknallt hat, liegt also weniger an uns, sondern daran, dass die Stadt mit ihrer gemischten Baustruktur diesem Wunsch enge Grenzen setzt.