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Archiv-Artikel

pampuchs tagebuch The Umlauts by EiOÄl

Nie ist mir bisher aufgefallen, dass die geschriebene englische Sprache, schön und knapp wie sie ist, über erklecklich weniger Zeichen verfügt als jede andere Sprache des alten Europa, ganz zu schweigen vom neuen. Hier wimmelt es nur so von à und ê, von ï, ö und ú, von č und ç, ł und ř, đ – kein Land, das nicht mit Akzenten, Pünktchen, Tremas oder Tilden aufwarten könnte, mit lustigen Kreisen, süßen Hängerchen, anmutigen Häkchen.

 Festzustellen ist, dass jeder halbwegs gebildete Europäer, der über den Tellerrand seiner Grenzen hinaus kommunizieren möchte, ohne die Tastenkombination Einfügen/Sonderzeichen nicht auskommt. Wie anders sollte er einem Herrn Nuñez, einer Frau Wałesa, oder gar einem Miloševič korrekt gegenübertreten? Da stünde im Lande der Müllers und Schröders schon der Selbsterhaltungstrieb dagegen. Und auch ein Garçon hat das Recht, schriftlich korrekt gerufen zu werden. Dem Amerikaner jedoch ist das alles ziemlich einerlei. Der muellert oder mullert mit seinen sieben ASCII-Bits – und es sollte mich nicht wundern, wenn strafweise auch das Schröder-ö in der anglophonen Presse bald eingestampft wird. Wer die UNO herumschubsen kann, wird auch mit Umlauts fertig. Anlass meiner Ängste ist eines jener Frustrationserlebnisse mit meinem Provider, wie sie hier schon häufig beschrieben worden sind. Wieder einmal ging es um das Generalübel Update. Nach einem halben Jahr hat sich nämlich herausgestellt, dass mein Kistchen für das neue AOL 7.0 gar nicht ausgelegt ist, was mir aber erst jetzt – als 7.0 zusammenbrach – von den Hotlineberatern mitgeteilt wurde. Also bin ich reumütig zu AOL 6.0 zurückgekehrt. Doch plötzlich leiden meine Mails an akuter Umlautschwäche. Viele meiner Partner erhalten neuerdings schreckliche Buchstabenungetüme. Das Verwirrende dabei ist, dass das nur bei manchen geschieht, andere, glücklichere, bekommen meine Botschaften weiterhin perfekt durchge-ä-ü-ö-ßt.

 Ein erneuter Anruf bei AOL hat mir heute schlagartig die geopolitische Dimension der Sonderzeichenschwäche aufgezeigt. Es liegt vermutlich gar nicht an 6.0! Laut meinem Hotlinefachmann gibt es derzeit weltweit „Verschlüsselungsprobleme zwischen den Providern“. Er habe diese meine Klage in den letzten Tagen sehr häufig gehört: Sonderzeichen wie die deutschen Umlaute werden im Netz immer weniger akzeptiert. Viele seiner Freunde schrieben deshalb ueberhaupt keine Umlaute mehr, sondern ersetzten sie durch diese bloede Ersatzform.

 Laecherlich! Aber moeglicherweise noetig. Es scheint, dass Europa in die Schuszlinie der angloamerikanischen Koalition der Sonderzeichengegner geraten ist. Vieles spricht dafuer, dass in gezielten Aktionen das Netz Schritt für Schritt, Provider für Provider, von allen Schlupfloechern für Puenktchen, Haekchen und Haengerchen gesaeubert werden soll. Ohne UNO-Mandat, aber mit High-Tech. THOMAS PAMPUCH

ThoPampuch@aol.com