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pampuchs tagebuchUmsonst ist nur der Schrott

Wie gut kann ich meine Kollegin Jutta verstehen, dass sie netzmüde geworden ist. Irgendwann bekommt jeder den www-Blues. Konsequent – aber auch sehr schade, dass sie sich von diesem Kästchen verabschiedet hat. Ciao Jutta, wir sehen uns hoffentlich mal wieder! Bisher hatten wir nur eine einzige Mensch-zu-Mensch-Begegnung, in Berlin, vor ein paar Monaten am Rande des taz-Kongresses „so wollen wir leben“ nämlich. Ansonsten kennen wir uns nur vom Mailen oder Lesen – wollen wir so leben?

Das Zappeln im Netz, es macht müde. Jutta hat Recht. Es liegt im Wesen des Netzes, dass jemand zappelt, und zum Wesen des Zappelns gehört der Eindruck, dass alles immer dasselbe ist, sich nichts bewegt, nichts vorangeht, sich alles wiederholt. A net is a net is a net.

Doch es gibt Hoffnung. Neuerdings hören wir, dass sich die Zeiten des Gratis-Webs dem Ende nähern. Schlaue Analysten erklären uns, was wir ohnehin schon immer vermutet haben: dass es gar nicht gehen kann, dass das alles nichts kostet. Jeder weiß, dass die albernen Werbebanner das Letzte sind, wovon sich ein halbwegs intelligenter User animieren lässt. Da helfen auch diese sich ungefragt öffnenden Werbe-Pop-up-Fenster nicht, mit denen uns online nachgestellt wird. Im Gegenteil, sie verstärken nur das Gefühl der Belästigung. Das Web ist ein schlechter Werbeträger. Der Anteil der Online-Werbung am gesamten Werbeumsatz liegt immer noch unter einem Prozent und ist inzwischen sogar rückläufig. Werbung allein kann des Netz nicht finanzieren – konnte es nie.

Kein Wunder also, dass sich das Internetbusiness neue Finanzierungswege überlegen muss. Es hilft nichts, irgendwann muss das Geld für die Webseiten von uns, den Usern, kommen. Ist doch logisch. „Pay per view“ und „pay per use“ heißt die Zukunft. Das „Ende der Kostenloskultur“ steht bevor. Und das ist auch gut so: Ich habe keineswegs die Absicht, hinfort nun wie ein Depp im Netz zu löhnen, und rate das auch niemandem. Ich freue mich vielmehr auf ein gewisses Qualitätsdenken, das mich dazu zwingt, nicht weiterhin sinnlos Netzmüll zu schaufeln, sondern bewusster auszuwählen. Sage keiner, freie Webseiten seien Menschenrecht. Es gibt kein Menschenrecht auf Schrott. Sehen wir die Einführung des Bezahlnetzes lieber als Befreiung, als Reinigung, als Katharsis, vielleicht sogar als Trendwende. Userpower statt Web-Versklavung. „Pay for quality“. Manchmal habe ich den Eindruck, Monate mit dem Durchblättern von Branchenverzeichnissen und Prospekten verbracht zu haben – nur weil es neu war, elektronisch und umsonst. Damit ist hoffentlich bald Schluss. Nach dem Ende des Dotcom-Hypes tut es auch uns Usern gut, zu erkennen, wie aufgebläht, belanglos und überflüssig vieles im Netz ist. Wird Zeit, dass sich die Spreu vom Weizen trennt. Wer zahlt, der überlegt. Ein Schritt zur Normalisierung und weg vom WWWahn, dem viele von uns immer noch verfallen sind. Schon höre ich, dass viele Kids, die vor kurzem noch Computer- und Netzfreaks waren, sich inzwischen dem Anmalen und Spielen mit Zinnsoldaten ähnlichen Fantasy-Figürchen widmen. „Warhammer“ heißt das possierliche Spiel. Kein schöner Name, aber es könnte zum ersten Post-Cyberspace-Kult werden. Öfter mal was Neues. So wollen wir leben. Ja, es gibt ein Leben jenseits des Netzes. Viel Spaß, Jutta! Schick mal ne Mail. THOMAS PAMPUCH

ThoPampuch@aol.com

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