palastrevolte : Neubauten in Altbauten
Die schönen Tage im Volkspalast sind bald vorüber, und hinter den parlamentarischen Kulissen wird schon heftig gestritten, ob das überhaupt so weitergehen darf, mit dieser Zwischennutzung, die so unliebsame Tatsachen geschaffen hat und aus dem DDR-verseuchten Unort in der Stadtmitte einen Magneten machte.
Berliner Tageszeitungen zitieren idiotische Parlamentarier, die von Kosten fabulieren, als belaste die Zwischennutzung den Steuertopf auch nur mit einem Cent. Fachidiotische Zeichnungen werden gedruckt, in welchen die apokalyptischen Gefahren eines unkontrollierten Abrisses für Dom und Museumsinsel beschworen werden. Nach dem Untergang der DDR könnte Ostberlin nämlich (wie in einer berühmten Erzählung von Ephraim Kishon) von einer blaumilchkanalmäßigen Flutwelle zum zweiten Mal hinweggespült werden, weil das vom Palastfundament gebändigte Grundwasser sich nach dessen Entfernung ganz ungehemmt über das preußische Kulturerbe ergießen, und der ohnehin schwankende Grund unter Dom und Altem Museum noch schwankender werden würde.
Auch Ruedi Häusermann hat in seinem Richtfest genüsslich dieses Szenario ausgeschlachtet, dessen Berechtigung wir an dieser Stelle natürlich keinesfalls in Frage stellen möchten. Denn jedes Argument, das dem Abrisswahn eine Auszeit abringt, ist ausdrücklich willkommen. Auch Psychoanalytiker werden an dieser plötzlichen Abriss- und Flutwellenphobie sicher ihre Freude haben.
In der kommenden Woche nun setzt das Volkspalast-Festival mit einem Konzert der Einstürzenden Neubauten zu seinem letzten Höhenflug an, bevor der Palast dann nach dem 9. November erst mal wieder in den Schlaf der Geschichte sinkt. Der Name der traditionsreichen Berliner Band könnte leicht zu dem assoziativen Kurzschluss führen, Blixa Bargeld der der Palast-Abriss-Fraktion zuzurechnen. Aber Bargeld stellte ziemlich zügig klar, dass er sich bereits heute für den Abriss des noch nicht gebauten Stadtschlosses stark machen will.
Trotzdem zeigte er sich im Rahmen der gestrigen Pressekonferenz im ausgekühlten Palast nicht ganz unempfänglich für den ästhetischen Reiz der Vorstellung, Konzertbesucher könnten sein Konzert mit einem Abriss des Hauses krönen. Aber natürlich bloß theoretisch. Praktisch will er seinen Auftritt doch als Statement gegen den Abriss verstanden wissen, wie er unter dem strengen Blick von Volkspalast-Chefin Amelie Deuflhard schnell nachschob.
Die enormen Stahlträger der Ruine werden in die Musik mit einbezogen werden, wurde dann angekündigt. Auch ein hundertstimmiger Chor werde zu hören sein und „Greatest Neubauten-Hits“ aus zwei Jahrzehnten.
Im Übrigen präsentiert der Abend mit dem Projekt „Grundstück“ einen Neubauten-Versuch, auch der einstürzenden Musikindustrie etwas entgegenzusetzen und innovative Produktionsweisen zu versuchen. Gegen Zahlung von 35 Euro können sich Fans zu „Supportern“ aktivieren und per Internet an der Entwicklung von Projekten teilnehmen. Auch reale Teilnahme während der werkstatthaften Konzerte ist möglich: als Chorsänger, Kabelträger oder Fahrer zum Beispiel.
Am Ende gibt es eine CD, die nicht über den Handel zu erwerben ist. Donnerstag ist deswegen im Palast auch kein klassisches Neubauten-Konzert zu erwarten. Wie genau die Sache aussehen wird, wollte Bargeld noch gar nicht sagen. Bloß das: Wer noch Karten will, der muss sich beeilen. Esther Slevogt
Weitere Informationen im Internet unter www.volkspalast.com